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Datum: 15.04.2024

Archäologischer Fund bei Bauarbeiten in der Steinstraße Prenzlau

"Wirtschaftlich gesehen war Prenzlau am Ende des 12. Jahrhunderts eine Stadt. Auch hatte Prenzlau von allen Orten der Region die beste Ausgangssituation für eine weitere Entwicklung: bestes Ackerland, günstiges Klima, eine Wasserstraße zur Ostsee, einen Handelsweg nach Magdeburg und Stettin, leichten Zugang zu großen Wäldern und nicht zuletzt mit dem Uckersee ausreichend Wasser für die unverzichtbar werdenden Wassermühlen. Es erscheint im Interesse der weiteren Entwicklung des Landes nur konsequent, dass der pommersche Landesherr Prenzlau - als erstem Ort in Pommern - 1234 ein besonderes Stadtrecht verlieh und den Ort nach westlichem Vorbild ausbauen ließ."

So heißt es im Beitrag von Dr. Matthias Schulz in der "Geschichte der Stadt Prenzlau". Und eben diese Geschichte und vor allem jene Zeit wurde kürzlich erst wieder in der Steinstraße lebendig, als das Archäologie-Team um Dr. Manfred Roeder hier auf ein besonderes Zeugnis der Vergangenheit stieß. Die Steinstraße - sie führt vom Marktplatzbis zum südlichen Stadttor "Steintor" - gehörte von Anfang an zu den wichtigsten Prenzlauer Straßen. Die Straße war ursprünglich ein Bohlenweg und hat ihren Namen vom Steintor, dem ältesten steinernen Stadttor Prenzlaus, das bereits kurz vor 1250 komplett aus Ziegelsteinen errichtet wurde - damals ein überaus kostspieliger und innovativer Baustoff.

Zunächst war noch unklar, welchem Zweck die entdeckte Holzkonstruktion gedient haben mag. Die nötigen Zusammenhänge und damit die Erklärung lieferte Dr. Matthias Schulz von der Unteren Denkmalschutzbehörde. Das zwischen dreieinhalb und vier Meter lange Holzkonstrukt mit einer Breite zwischen 60 und 70 Zentimetern war V-förmig in den Boden gerammt. Die Holzbohlen waren oben mittels Hölzern, für die spezielle Kerben in die Bohlen eingearbeitet wurden, verbunden. Auf dem Querholz lagen wiederum Bohlen.

"Anfangs wussten wir tatsächlich nicht, worum es sich handelt", sagt Dr. Manfred Roeder. "Bislang hatten wir hier in der Straße einige größere Längsbalken, vermutlich Unterbauten von Häusern, sowie Querhölzer, die der Wegebefestigung von Holzknüppeldämmen dienten, gefunden. Ebenso Lehm mit Holzresten, früher der Stabilisierung des Bodens dienend."

Nun also dieses Konstrukt. Licht ins Dunkel bringt Dr. Schulz, den der Archäologe sofort über den Fund in Kenntnis setzte. Anhand der ebenfalls entdeckten Spuren eines Wassergrabens, der bei weiteren Untersuchungen entdeckt wurde, ist sich der Denkmalschützer sicher, dass es sich um eine kleine Brücke über einen Graben gehandelt hat.

"Noch sind nur Proben genommen und die Hölzer nicht untersucht. Aber wir rechnen damit,dass sie aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammen. Also aus der ersten Bauphase der Stadt", so Roeder.

Dass man darüber liegend nicht noch weitere Zeugnisse früherer Bebauung gefunden hat, erklärt sich Dr. Matthias Schulz damit, dass im 18. Jahrhundert der Zustand der Straßen in der Stadt als so katastrophal befunden wurde, dass man sie aufriss, grundhaft neu befestigte und so für Ordnung sorgte. Historisch durchaus interessant und bis vor Kurzem noch immer in Betrieb, war die Trinkwasserleitung, die quasi oberhalb der einstigen Brücke verlief.

"Die Leitung war von 1883 und wurde bis zum Einbau der neuen Leitung jetzt noch genutzt", weiß Dr. Manfred Roeder.

Der erste Prenzlauer Museumsleiter nach 1945 und bekannte Heimatforscher Alfred Hinrichs fand dazu in alten Unterlagen,dass man beim Verlegen der Wasserleitung "in 1,5 m Tiefe unter aufgeschüttetem Boden viele Eichenbalken" fand. Im Zuge der Straßenbaumaßnahme, die mit der Erneuerung und Erweiterung des Fernwärmenetzes einhergeht, werden nun auch die Leitungen neu verlegt.Und womöglich stoßen die Archäologen um Dr. Manfred Roeder in den kommenden Monaten noch auf weitere Relikte einstigen Prenzlauer Lebens.

Als spektakulär bezeichnet Denkmalpfleger Dr. Matthias Schulz den aktuellen Fund nicht. Dennoch: Er ist wieder ein Mosaiksteinchen, aus dem sich die Prenzlauer Stadtgeschichte zusammensetzt. Insgesamt bietet die Baustelle einen interessanten Blick in die frühe Prenzlauer Stadtplanung. Dieser Teil der Stadt war zuvor nicht bebaut und musste gründlich für den Bau der ersten Häuser und der Steinstraße vorbereitet werden. Auf der gesamten Fläche wurde der Oberboden abgetragen, das Gelände begradigt und mittels kleinen Steinen und Holz befestigt. Auf diesem Untergrund ruhten ab den 1240er Jahren die ersten Häuser und die Straße - pommersche Stadtplanung, die unter brandenburgischer Herrschaft ab 1250 weitergeführt wurde.

Interessant wird aus der Sicht von Dr. Schulz noch mal der Bereich vor der Kreuzung zum Marktberg. Hier erhofft er sich Aufschluss darüber, wie die mittelalterliche Straße im Bereich des Marktes ankam."Wir wissen, dass es in der späten Bronze bis frühen Eisenzeit hier einen Friedhof gab, also vor ca. 3.000 Jahren, von dem jedoch nicht klar ist, wie weit er in die heutige Steinstraße reingezogen war."

Ebenso gespannt ist er auf mögliche Funde im südlichen Teil der Straße bis zum Steintorturm. Der war damals eine Durchfahrt, was bedeutet, dass die Straße und die Bebauung irgendwann umverlegt wurden.

Der einstige Graben, der jetzt entdeckt wurde, war zuvor nicht bekannt, wohingegen man von einem mittelalterlichen Straßengraben, gegenüber dem heutigen Gebäude von Woolworth, bereits wusste.

Spannend, so Schulz, könnten auch noch mögliche Funde sein, die darüber Aufschluss geben, wie exakt einst die Häuser standen und wie tief ins Grundstück sie in der ersten Bebauungsphase reichten. "Es ist wie immer bei archäologischen Funden: Wir sammeln Erkenntnisse und zugleich tun sich mit jedem Fund auch wieder neue Fragen auf."

Quelle: Stadtverwaltung Prenzlau