Inhalt

Sagen und Erzählungen


Sagen und Geschichten gehören in der Uckermark bis in die heutige Zeit zum täglichen Leben. In vielen Orten wurden sie von den Großeltern an die Enkelkinder weitergegeben. Kulturvereine, Historiker, Chronisten und Autoren waren bemüht, diesen Schatz zu hüten und für die Nachwelt zu erhalten. So gibt es in der Uckermark zahlreiche Publikationen die sich diesem Thema gewidmet haben. Auf den folgenden Seiten haben wir für Sie aus den verschiedensten Quellen Sagen und Geschichten zusammengetragen.

A

Alexanderhof

Das Kalb mit den zwei Köpfen

Eigentlich ist Alexanderhof kein Dorf, sondern ein Vorwerk mit einem schloßartigen Gutshaus. Erst 1840 wurde diese Ansiedlung erbaut, sie gehörte damals einem reichen jüdischen Bankier aus Prenzlau mit dem Namen Itzig. Über Grund und Boden, auf dem das Vorwerk erbaut wurde, verfügten die Prenzlauer Franziskanermönche vor der Reformation. Kommt man von Prenzlau durch das tief eingeschnittene Gelände südlich von Alexanderhof, so muß der Wanderer einen Hohlweg passieren. Üppiger Strauch- und Baumbewuchs verdunkelt auch am Tage diesen Teil der Straßenführung. An der linken Seite führt eine Steintreppe den Hang hinauf, praktisch ins Nichts. Hier ist es um Mitternacht nicht ganz geheuer. Überlieferungen bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts berichten von einem schwarzen Kalb mit zwei Köpfen in der Geisterstunde. Noch heute beschleicht zuweilen dem Wanderer im Dunkel des Hohlweges ein beklemmendes Gefühl.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag 1997

Angermünde

Die "Erscheinung" der Angermünder Torwächters-Tochter

Der Große Kurfürst stand mit einem starken Heer vor Stettin, um es den Schweden zu entreißen. Da verlangte eines Tages die Tochter des Torwächters am Kerkower Tor, Margarethe Meißner, die schon einige Tage krank zu Bett gelegen hatte, von ihrem Vater, er möge sofort die Geistlichkeit der Stadt und die Magistratspersonen rufen, damit sie diesen eine merkwürdige Erscheinung mitteilen könne. Des Nachts habe ihr nämlich ein Geist mitgeteilt, daß das Leben des Kurfürsten gefährdet sei. Da das Mädchen nicht zu beruhigen war und es nur den Spitzen der Behörden Einzelheiten sagen wollte, begaben sich schließlich am 22. August 1677 in die Wohnung des Meißner: der Probst Hannemann, Diaconus Fabricius, Kämmerer Blumenberg, die Ratsmänner Neuendorf und Nieren, um das Mädchen zu ver- nehmen. Es teilte folgendes mit: Des Morgens zwischen 7 und 8 Uhr, wenn ich bete und ganz alleine in der Stube bin, kommt ein kleines, altes Männchen in grauer Kleidung und mit langem Bart zu mir und sagt: "Guten Tag, meine Tochter! Ich bin zu Dir gekommen und habe Dich ausersehen, daß Du dem Magistrat dieser Stadt melden sollst, daß das Leben des Kurfürsten im Lager von Stettin in Gefahr ist. Es hält sich dort u.a. ein Mann auf, der ein grünes Kleid trägt und der den Kurfürsten vergiften will. So sollst Du dem Magistrat dieser Stadt melden, damit dieser die Nachricht dem Kurfürsten mitteile mit der Bitte, daß der Herrscher das Lager überwachen und dort ausblasen lasse, daß der Attentatsplan bekannt sei und den Giftmischer auffordere, sich auf und davon zu machen. Dann wird sich der feige Mordbube in einen Brunnen stürzen und ertrinken. Der Kurfürst aber wird binnen 14 Tagen Stettin einbekommen, falls dieser Grünrock gedämpfet ist." Und weiter habe das Männchen gesagt: "Die Menschen müssen fleißig beten und Buße tun, damit sich das Kriegsunglück endlich vom Lande wendet. Bleiben die Menschen jedoch in ihren Sünden, so wird die Strafe des Himmels noch größer werden, Gott wird es dann 4 Wochen lang regnen lassen. Alle Früchte, die auf dem Felde sind, werden gänzlich verderben, und die Not wird nicht abzusehen sein..." So sprach die Torwächters-Tochter in ihren Fieberphantasien. Der Angermünder Magistrat meldete den Vorfall am 24. August 1677 dem Kurfürsten und erhielt von diesem ein Belobigungsschreiben, in dem gleichzeitig das Ersuchen ausgesprochen wurde, die Meißner so bald als möglich in das Lager vor Stettin zu senden. Leider schweigen über den weiteren Verlauf der Dinge die Akten. Einwandfrei fest steht nur noch, daß der Angermünder Magistrat dem Befehl des Kurfürsten entsprochen hat.

Quelle: Gerhard Hänsel, Uckermärkische Sagen, KIRO-Verlag 1996

Wie der schwimmende Hirsch ins Angermünder Stadtwappen kam

Vor vielen Jahrhunderten, als Angermünde noch inmitten dichter Wälder lag, gehörte es zu den Vergnügungen der hiesigen Burgherren, zu Pferd auf die Jagd zu gehen. An Wild herrschte kein Mangel, und so begab es sich einst, dass bei einem dieser Ausritte ein stattlicher Hirsch aufgespürt wurde. Der Hirsch aber ergriff die Flucht, woraufhin der Burgherr und seine Mannen die Verfolgung aufnahmen. Stunde um Stunde verging, und erst als die Sonne sich dem Horizont näherte gelang es, das stolze Tier am Ufer des Mündesees zu umringen und ihm den Fluchtweg über Land abzuschneiden. Der Hirsch sah nur noch eine Möglichkeit zu entkommen: Er sprang beherzt in die Fluten des Sees und schwamm davon. Seine Verfolger zogen so zunächst den Kürzeren. Wäre der Hirsch doch nur in eine andere Richtung geschwommen. Dort aber, wo die Wellen des Sees fast schon an die Mauern Angermündes plätscherten, entstieg das gehetzte Tier schließlich dem Wasser und begab sich geradewegs durch ein Stadttor zu seinen Häschern. Denen bot er ein leichtes Spiel, denn der Hirsch war so ermattet, dass er sich auf dem Marktplatz endgültig festsetzen ließ. Aus Genugtuung und Freude über den stattlichen Fang machte sich ein Jäger sogleich daran, von einem Turm der Stadt das Halali zu blasen. Dem Hirsch wurde schnell der Garaus gemacht. Das Stadtwappen aber, so will es die Sage, gewährt ihm bis heute ein ehrendes Angedenken.

Quelle: Brandenburg, Band 1 der Norden, Die Uckermark, ADAC Berlin-Brandenburg, Pro Line Concept-Verlag

Das "Rosenwunder" in der Rosenstraße

Unter den restaurierten Häusern der Rosenstraße fällt eines durch die kunstvolle Gestaltung der Haustür besonders auf. Es ist das Haus Nr. 17.,in dem sich seit Februar 1896 eine Bäckerei befindet, zuerst Bäckermeister Geistlich, dann Bäckermeister Miers, dem Bäckermeister Schreiber und jetzt dessen Sohn folgten. Es ist die schmiedeeiserne Verzierung der Tür, die der Kunstschmied Kirchner, Chorin. 1946/47 nach einer Legende über die heilige Elisabeth von Thüringen, die die Schutzpatronin der Bäcker ist, geschaffen hat. Ein ihr zugesprochenes Wunder, das "Rosenwunder" bot sich als Motiv an. Elisabeth, geboren 1207, war mit dem Landgrafen Ludwig IV. von Thüringen verheiratet und widmete sich mit besonderer Hingabe Werken der Barmherzigkeit. Der Landgraf ließ sie gewähren, wenn sie in der Fastenzeit sich härtesten Kasteiungen unterzog und im Überschwang ihres mildtätigen Herzens die Vorräte des Hofes für Arme und Kranke verbrauchte. Als sie wieder einmal mit einem brotgefüllten Deckelkorb die Burg verlassen wollte, trat der Landgraf, der von seiner Umgebung auf die Verschwendung hingewiesen worden war, ihr mit der Frage "Was trägst du da?" entgegen und öffnete den Korb. Er sah nichts als Rosen im Korb. Nach dem Tode des Landgrafen wurde Elisabeth vom Nachfolger nach Marburg vertrieben. Sie war wohl die Herrin der Stadt, betrachtete sich aber, Franziskus von Assisi nachahmend, als Dienerin der Mitmenschen. Als sie 1231 gestorben war, rankten sich um sie viele Legenden. Wenige Jahre später wurde sie heilig gesprochen. Ihre Attribute sind Kanne und Brot.

Quelle: Walter Nölte / Dietrich Kukla, Angermünder Heimat

B

Bagemühl

Vom Keperichstein

Von diesem alten Bauerndorf, welches schon in Urkunden 1260 erwähnt wird, erzählt man sich folgende Geschichte: Am Feldweg nach Battin, auf dem Pfarracker oder auch im Keperichbruch, ist es recht unheimlich. Hier soll sich ein recht großer Feldstein befunden haben, der Kepe- oder Käperichstein. Leider kann man ihn heute nicht mehr besichtigen, da er um die Jahrhundertwende herum gesprengt wurde. Die anfallenden Bruchstücke wurden für die Friedhofsmauer vom damaligen Pfarrer verwendet. Auf der Oberseite des Steines waren zwölf kreisrunde Vertiefungen und in der Mitte ein größeres Schälchen aufgebohrt. Über den Sinn solcher Zeichen auf Steinen machten sich natürlich die Ein- und Anwohner von Bagemühl Gedanken. So meinten sie, der Teufel persönlich hätte sie auf dem Stein angebracht, um besser Kegel zum Spielen aufstellen zu können. Andere um die Geschichte des Steines wissende meinten gar, in hellen Vollmondnächten Zwerge um den Stein tanzend gesehen zu haben. Diese Zwerge hatten sogar unter dem Stein ihre Wohnung, und sie kommen an die Erdoberfläche, um aus den Näpfchen auf dem Stein ihre Mahlzeiten einzunehmen.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Bandelow

Das untergegangene Dorf Zelsow

Wenige Kilometer südlich des Straßenangerdorfes Bandelow, auf den Randhöhen westlich des Uckerflusses, liegt ein kleiner See, der Zelsow-See. Hier befand sich ein Dorf, in dem blühendes Leben herrschte. Sogar Wallfahrtsort soll die Siedlung gewesen sein, und ein schönes Marienstandbild zog zahlreiche Pilger aus Nah und Fern an. Der Brunnen an der Kirche lieferte dazu noch sehr heilkräftiges Wasser. Noch im 18. Jahrhundert wurde auf der Feldmark der Dorfstätte, dieses ist schriftlich belegt, Jahrmarkt abgehalten.

Der Sage nach soll das Dörflein im 15. Jahrhundert von den Hussiten geplündert und zerstört worden sein. Die Häuser brannten aus, die Ruinen verfielen, die Bewohner zogen, sofern sie nicht erschlagen waren, nach Bandelow. Bald wucherte Unkraut und Gestrüpp und deckte die Ruinen zu. Die Glocken der Kirche aber wollten die Zelsower nicht in andere Hände geben. Sie versenkten sie in den nahegelegenen Zelsow-See. Es sollen drei Glocken gewesen sein. Ihre Namen waren Anne, Susanne und Lanne. Sie verschwanden aber nicht für ewig im See, sondern sie tauchen einmal im Jahr auf und wandern zum Land hin, am Johannistag im Juni. Sie dürfen aber nur eine Stunde, zwischen Mittags zwölf und ein Uhr auf dem Land bleiben. Als nun eines Tages eine Frau aus Bandelow, andere wiederum erzählten, es sei eine Zigeunerin gewesen, am Seeufer ihre Wäsche wusch und sie auf einen von drei auffällig großen Steinen legte, hörte sie, nachdem die Uhr im Kirchturm von Bandelow eins geschlagen hatte, eine dumpfe Stimme, die wie Glockenschläge ertönte: "Anne, Susanne, wenn du mit wist, dann kumm, wi goahn to Lanne." Daraufhin verschwanden zwei der Steine im See. Nur einer, auf dem die Wäsche lag, blieb liegen. Da wurde der Frau plötzlich klar, daß das die Glocken von Zelsow waren. Schnell lief sie nach Bandelow und berichtete dem Dorfschulzen und seinen Gerichtsmännern von dem Vorfall. Diese begaben sich zum See und überzeugten sich von der Richtigkeit der Erzählung der Frau. Nun versuchten sie die auf dem Land gebliebene Glocke nach Bandelow zu ziehen. So sehr aber sich das Pferdegespann bemühte, es gelang ihnen nicht. Als aber der Besitzer von Göritz von dem Vorfall hörte, beschloß dieser, die Glocke heimlich in der Nacht nach Göritz, dem Dorf auf der gegenüberliegenden Seite der Ucker zu bringen. Er macht sich mit 16 Pferden auf den Weg, aber auch diese konnten nichts ausrichten. Er mußte noch zusätzlich zwölf Ochsen vor das Pferdegespann setzen, erst dann gelang es ihm, die Glocke nach Göritz zu bringen.

Noch heute soll sich die Zelsower Glocke im Kirchturm von Göritz befinden. Ihr klagender Klang beim Läuten soll die Menschen an das traurige Schicksal des Dorfes Zelsow erinnern.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Berkenlatten

Die "wüste Kirche" bei Berkenlatten

Südlich von Gerswalde erhebt sich die Ruine einer Kirche, die wahrscheinlich während der vielen Fehden zwischen den Mecklenburgern und Pommern einerseits und den Märkern andererseits zerstört worden ist. Sie steht auf einsamer Feldmark von einem Friedhof mit dichtem Schlehdorngebüsch umgeben. Die beiden hochragenden Giebelmauern sind von öden Fensterhöhlen durchbrochen. Um Kirche und Friedhof raunt mancherlei sagenhafte Geschichte. Auf dem Friedhof ruhen unter zwei stattlichen Ahornbäumen die Freitöchter eines Amtmannes von einem der benachbarten Güter. Dieser Amtmann war allerlei geheimer Künste mächtig und wußte genau Tag und Stunde seines Todes, Aus Angst vor seinem Ende aber gebrauchte er bösen Zauber und übertrug seinen Tod auf seine drei Töchter. Genau zur vorhergesagten Stunde starben sie alle drei und wurden bei der wüsten Kirche gemeinsam begraben. Einmal kam der Gerswalder Pfarrer von einer Taufe in Bödenberg hier vorbei. Die Feier, zu der der Pfarrer geblieben war, hatte sich ziemlich ausgedehnt, und es war mit der Heimfahrt spät geworden. Die Geisterstunde war schon angebrochen, Plötzlich sahen der Pfarrer und der Kutscher es taghell von der Kirche her leuchten. Der Pfarrer stieg vom Wagen, ging über den Friedhof, und als er ins Innere der Kirche blickte, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen; aber nein, das Bild blieb. Das Kircheninnere war voll weißer Lichtgestalten. Ihren Gebärden nach sangen sie voller Andacht. Doch hören tat der Pfarrer nichts. Als sein Entsetzen langsam von ihm gewichen war, sprach er mit fester Stimme: "Alle guten Geister loben Gott!" Und schon war die Erscheinung entschwunden. Hinfort hat sich der Pfarrer so eingerichtet, daß er nie mehr zur Geisterstunde des Weges zu kommen brauchte.

Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts sollen am Westgiebel, unmittelbar neben der Eingangspforte, große dunkle Flecke zu sehen gewesen sein. Mit ihnen soll es folgende Bewandtnis haben: Ein Edelmann ritt oft des Weges längs der wüsten Kirche. Sein Ziel war ein benachbartes Gut, wo ein schönes Edelfräulein ihm in Liebe zugetan war. Lange ging es so. Doch eines Abends kam er ganz zerschlagen zurück. Die Liebste war ihm untreu geworden. Als er nun den Kirchhof und die traurigen Trümmer sah, fand seine Verzweiflung neue Nahrung. Er stieg ab, trat zwischen die Trümmer und erschoß sich. Davon aber sollen die Blutflecken an der Mauer herrühren.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04. März 1938, 91. Jahrgang

Biesenbrow

Der Kobold

Eines Tages kam zu einer Bauersfrau eine Frau, einen roten Unterrock in der Hand tragend. Zum Schluß ihres Gespräches bat die Frau, den Rock doch über die Grenze zu tragen und dann erst das Bündel zu öffnen. Sie machte sich auf den Weg, aber die Neugier war zu groß, und schon vor der Grenze öffnete sie ihr Bündel. Da fuhr mit einem furchtbaren Gebrause der Kobold heraus. Fortan blieb der Kobold bei der Bauersfrau. Sie mußte ihm jeden Tag Mehlsuppe kochen, die sie nach dem Boden trug, wo der Kobold, wie man sagt, in einem Faß lebte. Die Familien, bei denen der Kobold wohnt, werden reich, sind aber gottlos. Des Nachts geht er um. Da begibt er sich auf andere Gehöfte, drischt das Korn aus und trägt es in die Scheune zu seinen Leuten. Er verlangt eine gute Behandlung, sonst trägt er das Korn woanders hin. Den anderen Leuten sucht er allerlei Schabernack zu spielen. Wenn z. B. die jungen Leute zum Tanze gehen, wirft er ihnen faule Gurken an den Kopf. Wird er von den Leuten geärgert, besudelt er sie, dieses läßt sich niemals wieder abwaschen. Er erschien den Menschen in vielerlei Gestalt. Einst als Kater mit glühenden Augen. Dann wieder erschien er einem Bauern als feurige Kugel auf der Feldmark, auch einmal als dreibeiniges Schwein auf der Kirchhofsmauer. Die Familie, bei der der Kobold umging, starb aus. Als letzte ihres Stammes starb die Frau des Hofes. Bei ihrer Beerdigung wollen Leute den Kobold als bunten Hahn auf dem schwarzen Sarge gesehen haben. Als das Grab zugeschaufelt wurde, erschien der Kobold als Sperling und flog unsicher gen Schmiedeberg, das in der Nähe lag, davon.

Quelle: Uckermark, Komm laß dich verzaubern..., Broschüre des Frauenprojektes PRAKTIKAS - Starke Frauen sehen Land - Frauen in der Dorf- und Regionalentwicklung

Bietikow

Die Wasserpferde vom verschwundenen Dorf Mocle

Auf dem altstädtischen Feld der Stadt Prenzlau - rechts der Ucker, an der Gemarkungsgrenze zu Bietikow hin - befand sich ein Dorf, von dem heute nichts mehr vorhanden ist. Nur der Name, bereits 1183 in alten Urkunden erwähnt, ist überliefert, "Mocle". Über dieses untergegangene Dorf, oder sagen wir besser, diese wüst gewordene Siedlungsstätte, erzählte man sich in den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts noch folgende Geschichte:

In dem Dorf Mocle wohnte vor langen Zeiten ein tüchtiger und fleißiger Bauer, er war allen im Dorf ein Vorbild. Seine Äcker waren stets tadellos bestellt, und sein Vieh kannte man sofort aus der Dorfheide heraus. Er schonte sich und seine Leute gar nicht. Als alle anderen schon Feierabend gemacht hatten, schuftete er immer noch auf seinem Feld. Schließlich steckte seine Arbeitswut auch noch die anderen Dorfbewohner an. So wurde das Dorf Mocle in der ganzen Gegend dafür bekannt, daß sie sich keinen Feierabend und sogar keinen Feiertag gönnten. So auch an einem schönen Ostertag: Wieder waren alle Leute aus dem Dorf - allen voran unser Bauer - auf den Feldern mit ihren Pflügen und Pferden tätig. Durch die schwere Arbeit aber waren die Pferde sehr abgetrieben, und als sie beim Pflügen an den Rand einer moorigen Stelle gekommen waren, standen sie nun endgültig still. Sie waren auch nicht zu bewegen, nur noch einen Schritt zu tun. Plötzlich stiegen aus dem angrenzenden, langgestreckten und tiefen Gewässer zwei prachtvolle Wasserpferde heraus. Sie stellten sich ganz zutraulich neben die anderen Pferde. Der Bauer spannte seine eigenen aus und überließ es den Wasserpferden, den Pflug zu ziehen. Hei, wie ging das gut. Sie pflügten so schnell die Felder, daß alle anderen nachziehen mußten. Schrecklich aber war mit einem Mal, daß die Wasserpferde in den dunklen See zogen, aus dem sie gekommen waren. Alle anderen mußten leider hinterher. Und so kam es, daß kein Bewohner des Dorfes zu seinem Haus zurückkehren konnte. Bald wuchs Unkraut und Gebüsch über den verlassenen Häusern.

Heute kündet rein gar nichts mehr von dem Dorf der überfleißigen Bauern von Mocle.

Quelle: unbekannt

Blindow

Der goldene Pferdekopf

Nur wenige Kilometer nördlich der Stadt Prenzlau, an der alten Chaussee nach Pasewalk, passieren wir eines der ältesten Dörfer der Uckermark, Blindow. Bauern und Fischer bestimmten das Leben im Ort seit Hunderten von Jahren. Der an den westlichen Dorfrand anstoßende große Blindow-See, der Uckerfluß und die ausgezeichnete Bodenqualität der umliegenden Äcker boten schon Siedlern in der Vorzeit ausreichend Nahrung, wie es so mancher ur- und frühgeschichtlicher Fund von der Feldmark beweist. Schon von weitem sichtbar ist der Turm der Dorfkirche von Blindow. Dies ist ja auch nicht verwunderlich, denn die Kirche steht auf einem erhöhten, nach Süden und Osten hin abfallenden Gelände. Bevor in christlicher Zeit diese Kirche erbaut wurde, soll an dieser Stelle der "Pferdeturm" gestanden haben. Was es damit auf sich hat, soll nun erzählt werden.

Vor sehr langer Zeit lebten in der alten Dorfstätte merkwürdige Menschen. Sie waren größer als andere Menschen, ihre ganzer Körper waren mit schwarzen Haaren bedeckt. Sie wurden von ihren Nachbarn geradezu verehrt, denn sie gaben bei Krankheiten und Mißernten gute Ratschläge, die den Menschen halfen. Die schwarzhaarigen gingen nämlich in solchen Fällen in einen großen steinernen Turm, der im Dorf stand. In diesem Turm hing ein goldener Pferdekopf, den sie befragten. Kamen sie wieder heraus, so gaben sie ihre nun gewonnenen Erkenntnisse an die Ratsuchenden weiter. Als dann die ersten christlichen Siedler kamen, lebten auch sie in Frieden mit den schwarzbehaarten "Pferdemenschen" und wußten ihre Weisheit auch zu schätzen. Leider verführten aber die allzuoft anzutreffenden menschlichen Schwächen wie Neugier und Habsucht einen der neuen Siedler dazu, den Pferdekopf zu stehlen und mit der Beute flüchtig zu werden. In einer sehr dunklen und stürmischen Nacht schlich er sich in den Turm und sah, wie der goldene Kopf einen schwachen Schein um sich herum verbreitete. Gierig griff er nach dem Kopf, um ihn von der Wand zu reißen. Da plötzlich redete ihn der Kopf an: "Blin büst du up ewig". (Blind bist Du auf ewig). Kaum waren die Worte ausgesprochen, da krachte der Turm zusammen und begrub den Dieb und den Pferdekopf unter sich. Durch den Lärm aufgeschreckt, eilten die anderen Bewohner aus ihren Hütten und sahen nur noch den Trümmerhaufen des Turmes. Und mehr noch, aus den Trümmern erhob sich ein goldenes Pferd, welches in seinem Maul den Dieb trug. Bald daraufhin zogen die schwarzbehaarten Ureinwohner aus dem Ort fort. Nie wieder hörte man von ihnen. Die zurückgebliebenen Siedler aber benutzten die Steine vom Turm, um die Kirche von Blindow damit aufzubauen.

Der Name von Blindow soll durch den Ausruf des Pferdekopfes entstanden sein. Und tatsächlich, als man während des ersten Weltkrieges die Blindower Kirche und den Kirchturm ausbesserte, stieß man auf mehr als einen Meter dicke Fundamente eines Turmes...

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Blumberg

Das Mädchen im Katharinenpfuhl

Am Wege nach Blumberg und Schönow liegt im Biesendahler Wald der Katharinenpfuhl. Sein Ufer ist dicht mit Schilf und Brombeergebüsch bewachsen. Nur die hohen Birkenbäume, die an der einen Seite des Wassers stehen, können vielleicht bis auf den Grund sehen. Man erzählt sich, daß vor vielen Jahren die junge, schöne Katharine wegen einer unglücklichen Liebe zu einem reichen Herrn hier den Tod gesucht hat. In hellen Nächten soll man sie noch auf dem Grund des Wassers liegen sehen.

Quelle: Heimatkalender Angermünde 1992, Verein für Heimatkunde Angermünde e. V.

Boitzenburg

Der Böttchermeister

Vor vielen, vielen Jahren lebte in Boitzenburg ein ehrsamer Böttchermeister. In einer Nacht, als er sanft und süß nach den Anstrengungen des Tages schlief, rief ihn eine unbekannte Stimme ins nahe Kloster Marientür. Er sollte kommen und sein Handwerkszeug mitbringen, denn es gäbe dort für ihn Arbeit. Der Meister stand auf, und als er vor die Tür trat, empfing ihn ein Mann mit langem weißen Barte und führte ihn durch mehrere unterirdische Gänge in einen großen Keller, wo viele Fässer standen, die bis zum rande mit Gold und Silber angefüllt waren. Hier erhielt nun der Böttchermeister den Auftrag, diese Fässer mit neuen Reifen zu versehen. Aber es waren ihrer gar viele, so viele, daß er sie kaum übersehen konnte. Eine alte Tranlampe erhellte ein wenig den Raum, und es war unserm Meister, als wenn die alten Nonnen gleich Gespenstern durch die Tonnen dahinschlichen. Auf einmal erfaßte ihn ein grausen; er ließ sein Handwerkszeug liegen und lief, was er laufen konnte nach Hause. In der folgenden Nacht kam der Greis wieder und brachte ihm sein Handwerkszeug. Der alte Mann dankte dem Böttchermeister, daß er sein Handwerkszeug zurückgelassen habe, denn die Arbeit verständen sie im Kloster selbst gut, nur an Handwerkszeug fehle es. Der Meister atmete erleichtert auf und schlief ein. Als der Böttcher am andern Morgen aufwachte, da lag sein Handwerkszeug neben dem Bette und dabei ein Haufen Geld, und so war er plötzlich ein reicher Mann; aber er wäre wohl noch viel reicher geworden, hätte er die Arbeit selbst getan.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberwalde, Prenzlau 1922

Die alte Frick

Die alte Frick oder Fuik ist des Teufels Großmutter gewesen, und man hat sie oft des Nachts umhertoben hören. Mancher hat sie auch gesehen und leicht an den großen Hunden, die sie stets mit sich geführt hat, erkannt; denn wenn diese gebellt haben, so ist ihnen schieres Feuer aus Maul und Nase geflogen. Vor Jahren, als noch der Mahlzwang herrschte, mußten die Naugartner nach der Boitzenburger Mühle, um dort ihr Korn mahlen zu lassen. Dahin war denn auch einmal ein Bauer gefahren und hatte sich etwas verspätet, so daß er erst in der Dunkelheit des abends auf seinem mit Säcken beladenen Wagen nach Hause fuhr. Wie er so fährt, hört er plötzlich ein gewaltiges Toben, und gleich darauf kommt auch die alte Frick mit ihren Hunden dahergestürmt. Der Bauer, in seiner Herzensangst, wußte sich nicht anders zu helfen, als daß er seine Mehlsäcke den Hunden hinschüttete, die auch sogleich gierig darüber herfielen und alles Mehl auffraßen; hätte er das nicht getan, so wäre es ihm schlecht ergangen. Betrübt kam er nun mit seinen leeren Säcken nach Hause und sagte zu seiner Frau: "Mutter, mir ist es schlimm ergangen; mir ist die alte Frick begegnet, und da hab ich nur eiligst ihren Hunden das Mehl vorgeschüttet, um sie loszuwerden." "Nun," sagte die Frau, "Sind die Säcke leer, so wirf die nur auch hin!" Das tat der Mann, aber wie verwundert war er, als er am andern Morgen an dieselbe Stelle kam; da standen seine Säcke wohlgefüllt, wie er sie am Abend zuvor aus der Boitzenburger Mühle geholt hatte.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberwalde, Prenzlau 1922

Bröllin

Vom kartenspielenden Teufel

Im Nordosten der Uckermark, südöstlich der pommerschen Nachbarstadt von Prenzlau, Pasewalk, liegt Bröllin. Die Landschaft um Bröllin muß schon immer auf die Anwohner und Besucher einen etwas mystischen Eindruck gemacht haben. Bereits um die Jahrhundertwende wurden über viertausend Jahre alte Grabstätten von steinzeitlichen Ackerbauern und Viehzüchtern entdeckt. Wieder ist es ein großer Stein, im Volksmund auch "Teufelsstein" genannt. Wie so viele seiner Artgenossen wurde auch er ein Opfer der "Steinschläger", die ihn sprengten und als billiges Baumaterial benutzten. Wieder störte es den Teufel, wie an anderen Orten, daß auch hier eine Kirche gebaut werden sollte.

Er nahm den Stein und versuchte, die Baustelle zu zerstören. Er verfehlte aber sein Ziel; der Stein fiel nieder und bohrte sich in den Boden. Die Oberfläche trug verschiedene Zeichen, die wie eine ausgespreizte Hand aussahen und Löcher, die wie "Knebellöcher" ausgesehen haben. Die sollen aber entstanden sein, als der Teufel mit einem früheren Besitzer von Bröllin Karten gespielt haben soll. Vielleicht handelte es sich bei diesem Stein um einen seit der Stein- und Bronzezeit verehrten Kultstein. Große Steine waren oft ein Grund zur Verehrung, wie die vielen Dinge der Natur, die die damaligen Menschen umgab, ja von denen sie abhängig waren. Man denke nur daran, daß der Stein weit über tausend Jahre hinweg einer der wichtigsten Rohstoffe zur Werkzeugherstellung war, und auch zum Allernötigsten, was man damals zum Überleben brauchte, der Feuererzeugung, diente. Auf solchen Steinen wurden in der Vorzeit im Rahmen von feierlichen Handlungen Schälchen und andere Symbole aufgebohrt, die in bestimmten Anordnungen sichtbar sind. Die genaue Bedeutung aber ist bis heute, trotz umfangreicher Erforschungen, unklar. Leider kann man jetzt, da auch der Brölliner "Teufelsstein" nicht mehr da ist, keine Recherchen mehr anstellen. Ob der Teufel gar mit jenem Adam von Lindstedt auf dem Stein Karten gespielt hat, der im 17. Jahrhundert nachweislich lebte, sei dahingestellt. Jedoch trug sich damals folgender Fall zu. Von Lindstedt wurde der Hexerei beschuldigt.

Um diesen Gerüchten nachzugehen, kam eine Untersuchungskommission aus Prenzlau mit dem Hofrichter persönlich nach Bröllin, um der Sache nachzugehen. Man suchte nicht lange und fand, unter einem Fliederstrauch versteckt, allerhand "Beweismaterial". Dieses bestand aus einer hölzernen Truhe mit folgendem Inhalt: Bücher über die "Schwarze Kunst", also Schriften über Magie mit allerhand Beschwörungstexten, der Totenkopf eines Menschen, eiserne Ketten vom Hochgericht, dem Galgen oder Rad, verschiedene Spiegel aus Kristall und anderes Gerät, welches ein Schwarzmagier ebenso braucht. Daraufhin verhaftete man Adam von Lindstedt und brachte ihn zur Festung Spandau bei Berlin. Was aus ihm geworden ist, weiß man leider nicht, obwohl anzunehmen ist, daß im Fall eines Prozesses er sicherlich verbrannt worden wäre, oder er im Gefängnis verhungerte, wenn er nicht vorher bereits an den Folgen der "peinlichen Befragung", der Folter, verstorben war.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Brüssow

Das "Hoawief"

Auf dem Domänenamt Brüssow lebte einst eine alte Wirtschafterin. Diese war so geizig, daß sie den Leuten nicht das trockene Brot gönnte. Dazu behandelte sie die Mägde überaus hart und prügelte sie oft und unbarmherzig. Einst ertappte sie eine Magd beim Naschen und geriet darüber so in Wut, daß sie das Mädchen mit dem schweren Schlüsselbunde erschlug. Die Untat kam aber an den Tag und das böse Weib wurde gehenkt. Von der Zeit an mochte niemand mehr auf dem Gute wohnen; denn die Alte ging jede Nacht um und trieb zum Entsetzen aller einen greulichen Spuk. Bald hauste sie im Schweinestalle, daß alle Schweine grunzten und quiekten, bald im Hühnerstalle, daß alles Federvieh in Angstgeschrei ausbrach; bald lief sie mit dem Schlüsselbunde klirrend und fortwährend "hoa, hoa!" rufend im Hause treppauf und treppab und durch alle Zimmer, so daß die Hausbewohner von Furcht und Grauen gepackt wurden. Mehrere Geistliche versuchten zwar, das Gespenst zu bannen, aber vergeblich. Da kam ein reisender Scharfrichter durch das Städtchen Brüssow, der hörte von dem Spuk und erbot sich, gegen ein Entgelt den bösen Geist zu vertreiben, Er stellte sich, einen Sack über die Schulter und einen Knittel in der Hand, des Nachts auf die Lauer. Als nun die Alte sich wieder hören ließ, jagte er sie in den Sack und prügelte sie fürchterlich. Sodann warf er den Sack über die Schulter und trug den Spuk zur Stadt hinaus. Weit ab an der Carmzower Grenze liegt ein kleiner, sehr tiefer, rings mit Dornen und Haselgebüsch umkränzter See, der Ganznow. Dorthin trug der Schaftrichter das "Hoawief" und wies ihm den See und seine Ufer zum ewigen Aufenthalt an. Seitdem treibt die Alte dort ihr Unwesen. Besonders diejenigen, die in dem Ufergebüsch Nüsse pflücken wollen, sind eine Zielscheibe ihrer Bosheit. Gewöhnlich sind die gepflückten Nüsse zu Hause samt und sonders faul. Manchmal hängen die Sträucher, von unten gesehen, ganz voller Nüsse, erweisen sich aber nach dem Erklimmen durchaus leer. Und wehe dem, der zum Bade in den stillen, tückischen Ganznow steigt; das "Hoawief" zieht ihn an seinen Beinen in die Tiefe, und die Wasser schließen sich über ihn auf immer.

Quelle: Gerhard Hänsel, Uckermärkische Sagen, KIRO-Verlag 1996

Das Hoawief und die Dachsjäger

Als das "Hoawief" noch nicht an den Ganznow-See gebannt war, spukte es auch oft auf der Feldmark, an den Kreuzwegen und an den Grenzen umher. Einst gingen zwei Brüder, Peter Hinz und Jürgen Hinz, spät abends in die Kaselower Forst auf die Dachshetze. Als sie sich bei einem Baue überzeugt hatten, daß der Dachs ausgefahren war, befestigten sie das Fangnetz in der Einfahrt und brachten die Hunde auf die Fährte. Nach kurzer Zeit verfolgten die Hunde einen flüchtigen Dachs, welcher dem Baue zulief und auch gefangen wurde. Sie schlugen nun das Tier mit ihren Knitteln tot und traten den Heimweg an. Peter trug den Sack mit dem toten Dachs. Kaum waren sie einige hundert Schritte gegangen, da wurde der Dachs im Sack allmählich schwer und schwerer, so daß Peter zuletzt erschöpft stehen blieb. "De Racker is noch nich dod", sprach er, den Sack abwerfend. Beide prügelten nun so lange auf den Dachs, bis er nach ihrer Meinung siebenmal krepiert sein mußte. Nun nahm Jürgen den Sack auf den Rücken und lachte über seinen Bruder; denn ihm däuchte die Last gar gering. Aber er hatte zu früh gelacht. Nach kurzer Zeit mußte auch er keuchend und schwitzend den Sack abwerfen, weil er mit jedem Schritte schwerer wurde. Zum dritten Mal hieben nun beide auf den vermeintlichen Dachs ein, und zwar so lange, bis die Erschöpfung sie zwang, aufzuhören. Darauf legten sie den Sack quer über ihre beiden Stöcke und versuchten, ihn, wie auf einer Tragbahre, weiter zu transportieren; aber es wiederholte sich dieselbe Geschichte. Nun kam ihnen die Sache doch nicht geheuer vor und sie beschlossen, den Inhalt des Sackes noch einmal zu untersuchen. Kaum aber hatten Sie den Sack geöffnet, so kollerte zu einem Knäuel zusammengekrümmt, das "Hoawief" daraus hervor, und als es, wie vom Winde getrieben, eine Strecke hinweggerollt war, sprang es auf die Beine, klatschte in die Hände und rief höhnisch: "Hoa, hoa, hoa! ji hebben mi lickers wiet müßt droagen!" Peter Hinz aber, der ein sehr schlagfertiger Mensch war, faßte sich kurz und antwortete ebenso höhnisch: "Joa, joa, joa! wi hebben di lickers ook düchtig daarför schloagen!"

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberswalde, Prenzlau 1922

Das Hoawief ängstigt die Gäste

Zu einer Festlichkeit waren einst viele Gäste im Brüssower Amtshause anwesend. Zu Abend wurde das Wetter so unfreundlich, daß alle dort nächtigen mußten. Da Betten nicht in genügender Anzahl vorhanden waren, so sah man sich genötigt, eine Streu zu machen. Als um Mitternacht die Leute auf der Streu lagen, kam das "Hoawief", ergriff einen nach dem andern bei den Beinen und zog sämtliche Füße in eine Linie; dann visierte sie die Linie hinunter und sagte: "lick lang!" (gleich lang). Nun machte sie dasselbe mit den Köpfen der Ruhenden, um, da nun natürlich die Füße wieder aus der Richtung waren, ihre Beschäftigung von vorne wieder anzufangen. So fuhr sie fort, abwechselnd Füße und Köpfe der Leute auszurichten, bis ihre Zeit abgelaufen war.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberswalde, Prenzlau 1922

C

Carmzow

Vom Radberg und seinem Gespenst

An der alten Weggabel, westlich des Dorfes Grenz, wo die Wege nach Grünow und Cremzow sich teilen, befindet sich der Radberg. Hier spielte sich eine schaurige Geschichte ab, die sich während des Dreißigjährigen Krieges ereignet haben soll.

Ein Kaufmann reiste von Pommern über Grenz nach Grünow. Ein Freund des Kaufmanns aus Grünow hatte ihm einen Knecht als Führer mitgegeben, da die Wege schlecht waren. Der Knecht aber ermordete den Kaufmann um seines Geldes willen und verscharrte ihn am Wegesrand. Er ging nach Prenzlau und ließ sich von den Soldaten anwerben. Der Freund des Kaufmanns ließ nichts unversucht, um den entlaufenen Knecht wiederzufinden. Er fand ihn auch bei den Soldaten. Kein Lügen half, der Knecht mußte den Mord gestehen. Er wurde zum Tode durch das besonders qualvolle Rädern verurteilt. Das Urteil wurde auf dem Radberg vollstreckt. Seitdem spukt dort die Seele des Knechtes. Immer wieder will das Gespenst einem vorbeiziehenden Wanderer Gold anbieten. Doch die meisten wissen darüber Bescheid und nehmen es nicht an. Einmal jedoch nahm ein reicher Bauer aus Gier eine Handvoll Golddukaten von dem Geist an. Kaum hatte er es in der Hand, da verbrannte er sich die Hand bis auf die Knochen. Dazu hat das Gespenst ganz schaurig gelacht.

Reste aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges oder Hinweise auf eine Richtstätte sind auf dem Radberg bisher noch nicht gefunden worden. Als man jedoch in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts anfing, den Radberg zur Kiesgewinnung abzutragen, fand man bronzezeitliche Urnengräber, deren Alter 3000 Jahre beträgt. Vom Radberg selbst ist heute nicht mehr viel übriggeblieben.

Qelle: unbekannt

Schwarzer Mann, Geisterhund und wieder ein Teufelsstein

Auch hier, westlich des Dorfes, an der alten Gemarkungsgrenze nach Klockow, auf einer Anhöhe in der Nähe des idyllisch gelegenen Bröckersees, findet man nun endlich einen noch vorhandenen "Teufelsstein". Der nicht allzu große Stein von etwa ein bis zwei Kubikmetern Größe aus rötlichem Granit ist heute von schwarzbraunen und gelben Moosen und Flechten bewachsen. Der aufmerksame Betrachter findet wieder mehrere kleine runde schälchenartige Vertiefungen auf der Oberseite des Steins. Ein tiefer Riß zeigt an, daß auch hier versucht wurde, den Stein zu zerstören. Am markantesten ist eine eingearbeitete Rille, die an der Südseite des Steins zu sehen ist. Wieder wollte der Teufel, diesmal von Stettin aus, eine Kirche mit dem Stein einwerfen. Er hatte die Prenzlauer Marienkirche im Auge, aber seine Kraft reichte nicht aus. So blieb der Stein bei Carmzow liegen. Auch im Ort selbst ist es nachts oft recht unheimlich.

In einem parkähnlichen Gelände am Ostufer des Bröckersees stand das Schloß von Carmzow - ein alter Fachwerkbau, welcher leider vor nicht allzu langer Zeit abgerissen wurde. Auf dem geraden Weg, der vom Schloß zum Dorf und an der Kirche vorbei führt, wurde mehrfach ein schwarzgekleideter Mann mit einem hohen Zylinderhut gesehen. Das eigenartigste aber an ihm war, daß er nicht schrittweise wie ein Mensch lief, sondern wie über Wellen schwebte. Ein großer schwarzer Pudelhund verfolgte auch noch bis in die Neuzeit so manchen Benutzer der Landstraße von Carmzow zur mitternächtlichen Zeit und verschwand dann am Ortseingang.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Cremzow

Die zerlumpten Dänen

Am Weg von Cremzow nach Baumgarten befindet sich ein einsames Gehöft, gleich neben dem "Spitzen Berg". Hier spuken die zwei "zerlumpten" Dänen. Die Geister zeigen sich seit der Zeit, als ein armer Nagelschmied aus Prenzlau dort ermordet wurde. Dieses soll sich so zugetragen haben:

Da der Nagelschmied darauf angewiesen war, mit seiner Ware über die Dörfer hausieren zu gehen, mußte er, da die Nacht angebrochen war, in der Scheune beim "Spitzen Berg" übernachten. Er stellte seinen Kasten, in der die Nägel klapperten, neben sich ab. Das hörten zwei umherziehende Dänen, die auch ihr Nachtlager in der Scheune aufgeschlagen hatten. Sofort dachten sie, der Wandersmann hätte Geld im Kasten und erschlugen ihn. Als sie sahen, daß nur Eisennägel im Kasten waren, wurden sie noch wütender. Am Morgen nach der Mordnacht zogen die Dänen weiter. Bald darauf verstarben beide Mörder. Sie konnten aber in ihren Gräbern keine Ruhe finden. Ja mehr noch, sie wurden dazu verdammt, an der Stätte ihrer Mordtat ewig herumzugeistern. Eigentlich sind sie für die Menschen, die sie sehen, nicht gefährlich, aber sie versetzen sie in große Angstzustände. So erging es auch einer Frau aus Carmzow, die die Spukgeister gesehen haben soll. Sie bekam so einen großen Schreck, daß sie bis zum Dauergraben lief (immerhin ein Kilometer südwestlich vom "Spitzen Berg"). Die Gespenster, die sie hartnäckig bis dahin verfolgten, kamen aber nicht über den Graben. Sie tanzten daraufhin wie wild geworden umher und stießen böse Drohungen aus. Erst bei Sonnenaufgang verschwanden die Erscheinungen.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

D

Damerow

Der Ziegenbockreiter mit der goldenen Kugel

In Damerow gibt es ein gefährliches Spukgebiet. Es ist das Umfeld der Schloßberge, in dem sich ein altes Hünengrab befindet. Hier war ein von Lindstedt im Mittelalter ansässig.

An der Straßengabel, wo der Weg nach Schönfeld und Malchow führt, kann man das Glück oder Pech haben, zur mitternächtlichen Stunde einen seltsamen Mann zu treffen, der auf einem Ziegenbock reitet. Der Bockreiter hält dicht vor dem Wanderer oder Kutscher mit seinem Gefährt und fragt, ob sein Ansprechpartner nicht Hass auf jemanden hätte. Bejaht dieser es, so übergibt der unheimliche Mann seinem nunmehrigen Partner eine goldene Kugel. Diese Kugel, eine Zauberkugel, machte nämlich unsichtbar. So konnte sein Besitzer, ohne gesehen zu werden, einem Nachbarn, den er nicht leiden konnte, die Saaten zertrampeln, sein Vieh vergiften oder anderen Schabernack spielen. Verschiedene böse Leute sollen dieses Angebot angenommen haben. Die Sache hatte aber doch einen Haken. Allen, die auf den Pakt eingegangen waren, haftete auf Lebenszeit ein nicht zu ertragener und unerträglicher Bocksgestank an, der sie zeichnete.

Immer noch sollen sich in der Gegend dort schattenhafte Männer herumtreiben, die unermüdlich die goldene Kugel naiven Menschen anbieten wollen.

Quelle: unbekannt

Dauer

Das Wagenrad von Dauer

Ein ganzer, aber kleiner Sagenkreis rankt sich um die Dorfschmiede und den Schmied von Dauer, nördlich an der alten Straße nach Pasewalk.

Dort treibt sich des Nachts ein Kobold herum. Dieser Kobold, angezogen mit einem roten Rock und Zipfelmütze, ist eigentlich harmlos, aber nur solange man ihn in Ruhe läßt und nicht ärgert. Er bringt auch Glück ins Haus, aber wenn er verärgert wegzieht, dann verläßt auch das Glück jenes Haus. Aber nicht nur solche Geister befanden sich in der Schmiede zu Dauer. Der Teufel persönlich versuchte, sich an den Schmied heranzumachen und bot ihm einen Pakt an. Da aber solche Bündnisse am Ende nur Unglück bringen, und die Frau des Schmiedes vom Besuch des Teufels erfuhr, brachte sie ihn mit Hilfe einer schwarzen Katze von seinem Vorhaben, den Schmied ins Unglück zu stürzen, ab. Eine recht merkwürdige Sage, aber wollen wir ausführlicher erzählen. Einmal kam ein großes Wagenrad ganz allein den Weg von Prenzlau über Dauer nach Pasewalk an der Schmiede von Dauer vorbeigerollt. Keiner war zu sehen, der es mit der Hand angetrieben hätte. Auch keine dazugehörige Kutsche oder ein anderes Gefährt war zu sehen. Das verwunderte den Schmied sehr. Da erinnerte er sich, was erst kürzlich ihm ein alter Zigeuner erzählt hatte. Um Unsichtbares sichtbar zu machen, solle man durch den linken Ärmel seines Rockes wie durch ein Ofenrohr schauen. Schnell holte der Schmied seinen Rock und sah durch den Ärmel, und siehe da, über dem Rad flog ein Vogel mit schwarzen und roten Federn. Das Schrecklichste aber war, daß auf das Rad ein Mann geflochten war, auf den der Vogel ununterbrochen einhackte. Das tat dem Schmied sehr leid. Er konnte ihm aber nicht helfen. Und so rollt das Rad immer noch bis in alle Ewigkeit dahin...

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Dedelow

Die Heiden von Dedelow

Bei Dedelow, im ehemaligen Schloßpark, befindet sich heute noch ein großer Stein, "Heidenkanzel" genannt. Früher befanden sich um diesen Stein herum noch weitere, aber kleinere. Hier spukt es besonders in den hellen Junimächten. Inzwischen weiß man, daß es sich zumindest bei dem "Heidenkanzelstein" um den etwas kümmerlichen Rest einer steinzeitlichen Grabanlage handelt. Dazu nun die folgende Sage.

Vor langer, langer Zeit, als die Bauern des Dorfes, welches ja damals noch nicht Dedelow hieß, noch Heiden waren, kam ein christlicher Prediger in den Ort. Er brachte es auch fertig, alle Heiden zu taufen. Eine schöne und stolze Kirche wurde erbaut und die "bekehrten" Heiden gingen fleißig zum Gottesdienst. In ihren Herzen aber blieben sie hart und huldigten ihren alten Göttern. Kam ein Fremder oder gar ein Bettler und bat um ein Stück Brot oder eine Übernachtung, dann jagten sie ihn ohne Gnade mit Steinwürfen fort. So sehr sich auch der Pfarrer abmühte, sie umzustimmen, alles war vergebens. Aus Kummer darüber wurde er alt und grau. Eines Tages kam sogar der liebe Gott persönlich nach Dedelow, um den Hartherzigen ins Gewissen zu reden. Aber auch er wurde weggejagt. Nun aber war das Maß voll. Er verwandelte die Dedelower in Steine und zwar an dem Ort, wo sie noch ihre alten Kulte betrieben, an dem Stein "Heidenkanzel". Der alte Pfarrer starb bald darauf. Aber auch er war verdammt dazu, in aller Ewigkeit von der "Heidenkanzel" herab in den Juninächten zu predigen.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Das Geheimnis des alten Wohnhauses

Vor vielen vielen Jahren war in der alten Mühle in Dedelow ein zugewanderter Müllergeselle, der sich auf allerlei Künste verstand. Alles konnte er, und es dauerte nicht lange, so hatte er sich einen großen Namen in der Gegend gemacht. Bald konnte keine Hochzeit mehr stattfinden ohne ihn. Niemand wußte aber, daß es eigentlich gar kein Mensch war, sondern der Böse selber, der den alten Müller bei guter Gelegenheit in die Hölle holen wollte. Immer wußte sich dieser aber dem Zugriff zu entziehen, weil er nie vergaß, sich von den Altarkerzen der Kirche das heruntergetröpfelte Wachs in die Hosentasche zu stecken. Das schützte ihn. Eines Tages hatte der Müller aber nicht darauf geachtet, daß seine Hosentaschen Löcher hatten, und daß die Wachskügelchen herausgefallen waren. Nun hatte der böse Geselle über ihn Gewalt. Spurlos verschwanden der Müller und der Geselle. Niemand wußte, wo sie geblieben waren. Nur die Bewohner des alten Wohnhauses waren Nachts durch unerklärliches Stöhnen aus ihrem Schlaf geweckt. Da sie aber von dem Vorhandensein eines Kellergewölbes nichts ahnten, konnten sie dem Müller keine Hilfe bringen. Den hatte der Böse tief unter der Erde angeschmiedet und quälte ihn Tag und Nacht, bis er starb. Lange noch wurden die Bewohner des alten Hauses durch Stöhnen erschreckt. Dann und wann sah man auch einen nebelhaften Schatten in Gestalt des dicken Müllers mit glühenden Ketten um den Hals über den Boden huschen. Dies hörte erst auf, als man später das Kellergewölbe und die in einer Nische entdeckten Knochen beseitigt hatte.

Quelle: Festschrift "675 Jahre Dedelow"

E

Ellingen

Das Flurkreuz von Ellingen

Willi Groß (Prenzlau), der als Mundartautor in dem Buch von Dr. E. Krienke "Uns Uckermark" mit Leseproben seines Schaffens gewürdigt wird, hat ausführlich die Sage vom Sühnekreuz zu Ellingen überliefert. Die eigentliche Sage wurde poetisch ausgeformt:

Der heiße Sommertag tauchte in die Kühle des Abends unter. Über die alten Weiden an der Landstraße von Woldegk nach Prenzlau hauchte der flammende Himmel goldenes Licht und malte allerlei Bilder um Stämme und Steine. Zwei wandernde Steinmetzen kamen die Straße daher. Stiefel und Kleider, sogar Felleisen und Hut waren dicht bestäubt. Bei jedem Schritte wirbelte ein grauer Schwalm neben ihnen auf, begleitete sie eine Weile und zerfloß hinter ihnen in Nichts. Das Gesicht des einen war hochgerötet. Der Schweiß hatte sichtbare Spuren über die runden Wangen gezogen. Der andere war von schmaler Gestalt und sah blaß aus. Um seine Augen hatte die Anstrengung blaue Schatten gelegt. Sein Mund war leicht geöffnet und lechzte nach einem labenden Tropfen. Sein Auge aber trachtete in die Weite voraus, wo die Türme und Dächer Prenzlaus im Abendlichte funkelten. Dort lag ihre Heimatstadt, das Ziel ihrer Wanderung nach langer Abwesenheit. "Kuno", sprach der Blasse, und seine Schritte stockten, "wir finden die Tore geschlossen, wenn wir dort sind, laß uns in Ellingen einkehren, ich kann nicht mehr weiter." Und dabei stand er still, zog ein rotbuntes Schnupftuch aus der Tasche und trocknete die Stirn. "Weiter, weiter, Hennerke", forderte Kuno ihn auf, "Wer wird sich kurz vor dem Ziele noch besinnen!" Und rüstig schritt er zu, ohne sich umzusehen. Hennerke aber stützte die Hand an einen Weidenstamm, ließ den Kopf hängen, fiel dann mit einem leisen Seufzer in das dürre Gras am Wege und blieb hingestreckt liegen.

Kuno ging endlich zurück und redete auf ihn ein, die halbe Meile noch auszuhalten. Hennerke aber breitete die Arme aus, ließ sein Haupt darauf sinken und schloß die Augen. Der Marsch von Lübeck her hatte ihn doch angepackt. Und kurz vor dem Ziele versagten seine Kräfte. Ein jäher Hustenanfall schüttelte ihn hin und her und ließ ihn erschöpft liegen. Kuno bückte sich, nahm ihm fürsorglich das Felleisen vom Rücken, schob es unter sein Haupt und öffnete ihm den Kragen. "Dann wollen wir wenigstens versuchen, das Dorf zu erreichen" , meinte er sanft. Und als er Blutstropfen auf den Lippen seines Gefährten bemerkte, wischte er sie vorsichtig ab. Während sie am Wege saßen, waren einige vollbeladene Erntewagen an ihnen vorbeigefahren und seitwärts nach Ellingen abgebogen. Langsam schleppten die Pferde die Last hinter sich durch den tiefen, mahlenden Sand. Kaum waren in dem dichten Staube ihre Mäuler zu erkennen. Ihrem müden Schlenkern war anzumerken, daß sie unter Hitze und schwerer Arbeit tagelang ihren Strang gezogen hatten.

Das Volk der Schnitter aber saß in fröhlicher Stimmung auf dem letzten Wagen um eine aufgestellte Strohpuppe und sang ein Erntelied, denn die Ernte war beendet. Von den erhobenen Harken der Binderinnen flatterten bunte Bänder und verkündeten die letzte Fuhre. Als der Wagen an den beiden Wegmüden vorbeifuhr, flog ein kleiner Ährenkranz hernieder. Kuno griff danach und schwang ihn freudig empor, während der Gesang auf dem Wagen plötzlich verstummte. Ein Mädchen winkte ihm von oben lachend zu. Dann trottete auch dieses Gefährt vorbei, und es wurde ganz still auf der Straße. Ein kurzer Lerchenschlag wachte noch einmal aus den Stoppeln auf und endete mit einem jubelnden Triller. Darauf reckten sich die Schatten der Weiden länger und länger, bis sie sich nur noch wenig von der einfallenden Dämmerung abhoben und in ihr völlig zerflossen. Hennerke hatte sein Haupt schwer in die hohle Hand gestützt. Seine Brust hob sich stoßweise, seine Augen aber hingen verlangend an dem Ährenkranze, den Kuno noch hin und her drehte. Er seufzte schwer auf, richtete sich dann empor und stellte sich mühsam auf die schwankenden Füße. "Mich friert" , stieß er mit tonloser Stimme hervor, "komm, laß uns eine Herberge suchen. Vielleicht meine letzte."

"Hennerke, was redest du" , lachte Kuno und war ihn behilflich. "Der kleine Anfall wird bald vorübergehen, wenn du erst einen Abendtrunk genommen. Es war heute sehr heiß. Morgen sind wir daheim, und dann wird dich Mutter tüchtig pflegen." Langsam bogen auch sie nach dem Dorfe ab. Es war Abend geworden. Nur die Türme von St. Marien trugen noch ein Fünkchen Sonnenlicht auf ihren Dächern. Hennerke winkt lächelnd noch einmal hinüber, ehe sie im Dorfkruge nach Handwerksbrauch um ein Nachtlagen vorsprachen. Dort aber herrschte lustiges Leben. Unter der breitästigen Rüster auf der Dorfaue schritten schon junge Paare nach dem Klange der Schalmeien zum Tanz. Immer mehr Mädel und Burschen fanden sich ein, den Tanz um die letzte Garbe zu führen, die an einem tiefen Aste des Baumes als Puppe aufgehängt war. Kuno und Hennerke waren nach gründlicher Säuberung und kurzem Imbiß auf dem Heuboden zur Ruhe gegangen. Aber keinem wollte der erquickende Schlaf kommen. Während Hennerke ein trockener Husten plagte und ihm der Atem röchelnd durch die Brust fuhr, lag Kuno der Klang der Schalmeien im Ohr, und es kribbelte ihm merklich in den Füßen. Er versuchte zu schlafen. Aber immer wieder jauchzten die Töne bekannter Tanzweisen durch seine Sinne, bis er endlich flüsterte: "Junge, Hennerke, ich halt's nicht mehr aus. Willst du mit zum Tanz?" Doch der mochte nicht, redete ihm vielmehr zu, allein zu gehen.

Da erhob sich Kuno von seinem Lager, entnahm seinem Ranzen eine saubere Bluse, ordnete Haar und Anzug, nahm den Ährenkranz, der neben ihm gelegen hatte, stieg die Leiter hinab und mischte sich unter das junge Volk. Der Platz war durch Kienfackeln erleuchtet. Flackerndes Licht goß sich über die tanzenden Paare und warf ihre Schatten in bunter Bewegung durcheinander. Bestürzt und erschrocken zugleich starrte Kuno in den Trubel. In seinem Hirn wirbelte es noch bunter als auf dem Platze. In seiner Brust fühlte er einen Druck, daß er die Arme heben mußte. Als er so dastand und den Ährenkranz einen Augenblick hoch über seinem Haupte hielt, löste sich aus den tanzenden Paaren eine Tänzerin, ließ ihren Burschen stehen und schritt gesenkten Hauptes auf Kuno zu. Vor ihm knickste sie dreimal, schlug die Augen auf und lächelte ihn an. Er aber setzte ihr den Kranz auf ihre dicken, blonden Zöpfe, die sie wie eine Krone um ihr Haupt geschlungen hatte, legte seinen Arm um ihre Hüften und schritt mit ihr zum Tanz.

Alle machten Platz und stellten sich rings im Kreise auf. Das Mädchen hielt Kuno bei der Hand und stand mit ihm unter der Puppe. "Du mußt sie anzünden", flüsterte es ihm zu. Er begriff nicht. Ihm war, als ginge er an der weichen Hand des Mädchens durch ein Land, in dem die Blumen rot wie Fackeln leuchteten und der Nachtwind wie Schalmeienton durch die Wipfel strich. Er hörte nicht das breite Lachen der Burschen und das heimliche Kichern der Mädchen. Er fühlte nur seine Hand ab und zu gedrückt und den Klang lieber Worte im Ohr. Ihm war so wohl, als wäre er daheim. Da sprang plötzlich ein großer, schmaler Bursche in städtischer Kleidung, derselbe, den das Mädchen vorhin losgelassen, aus dem Kreis der verstummenden Zuschauer hervor, ergriff eine Fackel und entzündete die Puppe, das sie hell aufloderte und wie Pulver verbrannte. Die Schalmeien setzten mit schnellen Takten ein, die Paare faßten sich an und bildeten einen dichten Ring um den herabfallenden glimmenden Rest. "Wir müssen hinüberspringen" , flüsterte das Mädchen. Doch Kuno stand wie geblendet und fühlte sich von dem Burschen beiseite gedrängt. Schon hatte der die Widerstrebende bei der Hand, als eine helle Empörung unter den Zuschauern ausbrach. Laute Rufe: "Der Steinmetz soll springen, er hat den Kranz gehabt, weg mit dem Schneider" ertönten.

Da wachte Kuno auf, er packte den Burschen an Arm und Wams und warf ihn unter Hohngelächter aus dem Kreise hinaus. Dann riß er das Mädchen, das ihm entgegenlachte, an sich und führte es mit hellem Jauchzer zum Sprunge. Die Schalmeien schmetterten, die Paare klatschten im Takt dazu und sprangen den beiden fröhlich nach. Im Tanze wirbelten sie weiter. Eine Mühle und eine Dreitur wurden vom Kiekbusch und Klapptanz abgelöst, bis man sich nach dem "Gode Nacht" bei verlöschenden Fackeln trennte. Die Schalmeien schwiegen, und still gingen die Paare heim. Sie hatten einem alten Brauche genügt und die letzte Garbe verbrannt. Kuno aber nahm sein Mädel bei der Hand, und sie wanderten langsamen Schrittes zum Dorfe hinaus. Die Blonde hatte die letzte Garbe auf dem Felde gebunden, hatte ihren Ährenkranz einem Burschen zuwerfen und ihn für sich gewinnen dürfen. Und nun hatten sich beide gefunden. Der Mond stieg hinter ihnen glührot aus den Uckerwiesen auf und warf ihre dicht aneinander geschmiegten Schatten lang voraus.

Derweil lag Hennerke immer noch von Schmerzen in der Brust gequält auf seinem einfachen Lager. Er hielt die Augen weit offen, und ihm war, als sähe er Kuno an der Seite eines frohen Mädchens durch die Nacht schreiten. Eine furchtbare Unruhe warf ihn hin und her. Er bemerkte einen menschlichen Schatten hinter ihnen von Baum zu Baum gleiten, sah funkelnde Augen und einen blinkenden Dolch. Ein schriller Schrei traf da sein Ohr und riß ihn hoch. Er tastete zu dem Beilager hinüber und fand es leer. "Kuno, lieber Kuno" , seufzte er und sank errmattet zurück. Schweiß trat ihm vor die Stirn, und vor Aufregung zitterte er an Händen und Füßen. Zwischen Traum und Wachen brachte er die Zeit bis zum Morgen zu. Als Kuno immer noch nicht zurück war, erhob er sich mühsam und hielt im Hofe und vor dem Tore Ausschau. Dann trieb es ihn zum Dorf hinaus. Wo der Weg in die Straße einbog, stockte sein Fuß. Dort saß ein Mädchen über Kuno gebückt und hielt sein Haupt im Schoße. Unaufhörlich streichelte es sein Haar und seine Stirn. Seine Wangen aber waren in dem Morgenlichte weiß wie Schnee, die Augen hielt er geschlossen, und über seine geöffneten Lippen tropfte hellrotes Blut. Hennerke ahnte erschrocken, daß sein Gesicht in der Nacht Wahrheit gewesen und daß Kunos Leben in Gefahr sei. Er stürzte in die Knie, legte sein Ohr auf des Freundes Brust und vernahm nur noch einen langsamen, schwachen Herzschlag. Aus dem Auge des Mädchens sprach die furchtbare Pein jäh zerrissener Hoffnung, die kein Wort, keine Gebärde Hennerkes zu ändern vermochte. Als er am Boden eine große Blutlache sah, wußte er um das Geschehene, strich dem Mädchen dankbar über die Hand und eilte, so schnell es ihm möglich war, ins Dorf zurück, um Hilfe zu holen.

Einige Männer fanden sich zusammen, um den Steinmetzen auf einem kleinen strohbeschütteten Wagen zu holen, brachten aber unter Begleitung des unaufhörlich schluchzenden Mädchens nur seine Leiche zurück. Am Nachmittage wandte sich Hennerke heimwärts. Und weil er eine doppelte Last mit sich schleppte, ging er nur langsam. Es quälte ihn der Vorwurf, in den letzten Tagen nicht schneller gewandert zu sein, dann wären sie gestern oder gar schon früher daheim gewesen, und Kunos Eltern hätten ihn gesund und frisch begrüßen können. Es bedrückte ihn auch unendlich, daß er ihm noch zugeredet hatte, auf den Dorfplatz zum Tanz zu gehen. Vielleicht wäre das Unglück auch dann vermieden. Als er über den Quillow schritt, fesselte das schnellfließende, blinkende Wasser seinen Blick. Er lehnte sich an das steinerne Brückengeländer und sah lange hinein. Die Sonnenstrahlen tanzten in flimmerndem Spiele über den Bach, und es funkelte und leuchtete darüber wie aus hundert kleinen Spiegeln. Plötzlich kroch eine Wolke über die Sonne, vernichtete den Glanz und ließ zerrissene Schatten darin untertauchen. Hennerke glaubte Kunos blasses Gesicht darin zu erkennen. Doch spülten die wechselvollen Wasser dies Bild bald wieder hinweg. Aber vor seiner Seele stand es und wollte nicht weichen. Immer höher türmte sich sein Schuldbewußtsein auf, immer stärker hämmerte sein Herz unter dem Druck des Erlebten. Hilfeflehend wanderten seine Augen über die Umgebung und gewahrten eine starke Steinplatte aus graurotem Granit. Erlöst atmete er auf, denn im gleichen Augenblick bewegte ihn ein sühnender Gedanke.

Er ging auf den Stein zu, zog Hammer und Meißel aus dem Ranzen und begann, ihn zu prüfen. Und weil er kernig und brauchbar war, stand sein Entschluß fest, daraus ein einfaches Kreuz für seinen Freund zu formen. Diese Absicht gab ihm Kraft, das letzte Wegstück forsche zu durchschreiten. Als er vom Kuhtore aus in die Strohstraße eintrat, sah ihm niemand mehr die Schwere der Wanderung an. Am Ende der Strohstraße bog er rechts in die Baustraße ab, um die Bude seines Vaters, eines ehrsamen Schneiders, aufzusuchen. Einsilbig schrillte die Glocke über der geöffneten Haustür. Kühle Luft schlug ihm aus dem schmalen, langen Flur entgegen. Ihm wurde schwindlig und er mußte sich am Treppengeländer halten, als seine Mutter ihm mit blassem, müden Gesicht entgegentrat. Es zuckte kein Strahl der Freude um ihren schmalen Mund, und die Augen schienen rot vom Weinen. Welk und matt reichte sie ihm nur die Hand. Auch der Vater blickte verstört drein und fand kein liebes Wort des Willkommens. Kalt und freudlos wie der Empfang schien ihm das ganze Haus.

Wie anders hatte er sich doch die Heimkehr ausgemalt. Seines Bruders Platz auf dem Arbeitstisch war leer. Nun erfuhr er auch, daß derselbe heute früh in hastiger Eile auf die Wanderschaft gezogen sei, ohne sich ordnungsgemäß von seinem Gewerk und von seinem Vater, der zugleich sein Meister war, abzumelden. Er sei mehr geflohen als gegangen. Nach drei Tagen stand Hennerke am Grabe Kunos, der in dem Friedgarten am Stettinschen Tore eingesenkt wurde. Viele trauerten um den so jäh Dahingegangenen. Hennerkes Eltern aber waren daheimgeblieben. Ihr Gebaren wunderte ihn mehr und mehr. Und aus Stichelreden und absichtlich hingeworfenen Worten der Teilnehmer mußte er schließen, daß sie ihren guten Ruf irgendwie eingebüßt hatten. Zu Hause sprach er sanft mit der Mutter, wußte seine Rede auf das Gehörte zu bringen und erfuhr nun aus ihrem Munde, daß sein Bruder im Verdacht stehe, Kuno hinterrücks erstochen zu haben. Da ging er still in seine Kammer und sank gebrochen auf sein Lager .

Quelle: Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg - Woldegk, Schibri-Verlag Milow, 2000

F

Fahrenwalde

Die abgeschlagenen Hände

In der Kirche zu Fahrenwalde, zwischen Brüssow und Pasewalk, wurden Jahrhunderte lang in einer Nische an der Ostwand der Kirche, neben dem Altar, die sogar durch eine Klappe verschlossen werden konnte, zwei Frauenhände aufbewahrt.

Eine soll sogar aus Holz gewesen sein. Man wußte früher noch zu berichten, daß bei Fahrenwalde eine Frau ermordet worden sein soll. Ihre Leiche lag aber genau auf der Grenze zwischen Fahrenwalde und Wetzenow. Der ganze Körper lag auf der Wetzenower Feldmark, eine abgeschlagene Hand auf der Feldmark von Falkenwalde. Man bestattete die Frau in Wetzenow, die Hand kam in die Kirche von Fahrenwalde. Über die hölzerne Hand wußte man nichts zu berichten, sie soll schon vor längerer Zeit verschwunden gewesen sein. Die andere mumifizierte Hand wurde ins Prenzlauer Museum gebracht.

Eine weitere Sage berichtet von einem Dieb, den man in den breiten und starken Kirchturm sperrte, da man dachte, daß er von hier nicht entweichen könnte. Am anderen Morgen war er doch verschwunden. Er hatte in der Leichenkammer einen Besen gefunden, mit dem er an der Turmwand heruntergeritten war. Anderen Berichten nach soll die Totenhand die Hand eines Vatermörders gewesen sein, die aus dem Grabe gewachsen war.

Recht gruselig geht es auf dem "Sekelberg" zu. Hier spukt in ganz bestimmten Nächten ein Reiter ohne Kopf auf einem weißen Schimmel.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Falkenwalde

Die Sage vom Bollenberg

Unweit von Falkenwalde liegt der Bollenberg. Es wird erzählt, vor langer Zeit hätten dort einmal zwei Stiere gehaust, ein schwarzer und ein weißer. Ihre Hörner und Hufe wären aus glänzendem Gold gewesen.

Früh am Morgen konnte man beobachten, wie sie abwechselnd zum nahegelegenen Prähnsee zur Tränke liefen, begegneten die Bewohner dem schwarzen Stier, bedeutete das für sie einen glücklichen Tag, begegneten sie aber dem weißen, mußten sie auf der Hut sein, denn das verhieß Unglück. So lebten die Menschen mit den Stieren und richteten sich all die Jahre klug nach ihnen ein. Zur Weihnachtszeit konnte man beide Stiere gemeinsam zur Tränke gehen sehen.

Mit der Zeit ging aber auch das Gerede um, die Stiere behüteten einen großen Schatz. Das ließ einen der Bewohner Falkenwaldes nicht mehr ruhig schlafen. Im Besitz eines Zauberknochens, beschloß er, den Schatz zu heben. An einem Weihnachtstag, als sich beide Stiere vom Berg entfernt hatten, machte er sich mit seinem Sohn auf den Weg. Am Berg angekommen, fanden sie auch einen Schatz, beluden ihre Trage mit Gold und Silber. Schweigend, denn so war es verlangt, eilten sie zurück. Doch in seiner Gier hatte der Vater den Sohn überschätzt: Dieser konnte kaum noch die Trage halten. Das Schweigegebot vergessend, rief der Vater: "Holl fest!" Die Last wurde plötzlich leichter und nach einer Weile mußten sie feststellen, daß Gold und Silber verschwunden waren. Statt dessen trugen sie nur einen Haufen Stroh. Seit diesem Tage wurden auch die Stiere nie wieder gesehen, Man sagt, sie hätten sich in den Berg zurückgezogen, um den Schatz besser hüten zu können...

Quelle: Heimatkalender Prenzlau 1998, 39. Jahrgang, Kultur arche Prenzlau

Fergitz

Wie Ritter Kurt das Zaubern lernte

Im Oberuckersee gegenüber Fergitz liegt eine kleine Insel, der Burgwall genannt. Auf dieser Insel soll nämlich vor Zeiten ein Schloß gestanden haben. Es gehörte dem Suckowschen Kammerherrn, der im Volksmunde auch Ritter Kurt genannt wurde. Ritter Kurt nun war ein mächtiger Zauberer. Er hatte eine Bibel, die mit Ketten verschlossen war. Das war auch nötig; denn es war keine von den gewöhnlichen Bibeln mit den üblichen fünf Büchern Mose, sondern sie enthielt deren sieben. Und in diesen zwei außergewöhnlichen Büchern soll ja das rechte Zauberzeug stehen. Die Schrift war schon ganz vergilbt und kaum lesbar; aber der Kammerherr hatte hieraus ein groß Teil seiner Kunst entnommen. Einige besondere Hauptstücke allerdings hat er vom Müller Pumpfuß gelernt. Der Müller war einer der größten Zauberkünstler, die es je gegeben hat. Er durchstreifte die ganze Uckermark und kam bis weit in die Neumark.

Ein gewisser Ruf eilte ihm schon immer voraus. Am liebsten schien ihm aber die Gegend zwischen Gramzow und Gerswalde zu sein; denn hier tauchte er am häufigsten auf. Mit Müller Pumpfuß nun kam Ritter Kurt auf folgende Weise zusammen. Eines Abends kam der Suckowsche Kammerherr spät nach Hause zurück. Wie er an einen Hohlweg kam, scheuten die Pferde plötzlich vor einem dunklen Gegenstande, der quer über dem Wege lag, und wollten durchaus nicht weiter. Der Kutscher dachte, da läge ein Betrunkener. Er stieg ab und wollte ihm auf die Beine helfen oder aus dem Wege schaffen. Doch der Daliegende rückte und rührte sich nicht. Er machte sich steif wie ein Baumstamm und gab sich ein Gewicht, daß er nicht einmal fortzukullern war. Da wurde der Kammerherr wütend. Er befahl dem Kutscher wieder aufzusteigen und über den Kerl schnurstracks hinwegzubrausen. Der Kutscher kam dem Befehl nach; aber soviel er auch auf die Pferde einhieb und an den Zügeln riß, sie gingen nicht vorwärts. Der Wagen blieb wie angenagelt stehen. Da merkte Ritter Kurt, daß der Wagen "festgemacht" sei. Nun half all kein Toben und Schimpfen. Jetzt ging nur Güte vor Gewalt. Der Kutscher noch einmal vom Bock und den Kerl fragen, wer er eigentlich sei, und was er wolle.

Als er nun hörte, daß Müller Pumpfuß im Wege gelegen habe, da fiel es dem Kutscher wie Schuppen von den Augen. Ritter Kurt aber triumphierte und sprach über das ganze Gesicht lachend: "Aha, das trifft sich; Müller, dich habe ich lange genug gesucht". Pumpfuß mußte in den Wagen steigen und mit ins Schloß fahren. Hier wurde er wie ein Herr gehalten, damit der Kammerherr alles von ihm zu wissen bekäme, was ihm noch abginge. Als Ritter Kurt nun nach einiger Zeit glaubte, alles zu können, fragte er seinen Lehrmeister, ob er ihm auch alles, was er wisse, gezeigt habe. Wie das Pumpfuß bejahte, ließ der Ritter einen Scharfrichter kommen, der dem Müller den Kopf abschlagen sollte. (Ritter Kurt hatte wohl Grund dazu, wie es uns die folgende Sage zeigen wird). Pumpfuß tat vollkommen gleichgültig, als wenn ihn die Sache gar nichts anginge. Sollte er genug von diesem Leben haben? Gleichgültig legte er auch seinen Kopf auf den Block. Aber was war das? Als eben der Scharfrichter zuhauen will und schon das Beil in der Luft schwebt, da bleibt es schweben - es ist festgemacht. Pumpfuß aber erhebt sich lachend und sagt: "Siehst du, Kammerherr, das Kunststück habe ich noch für mich behalten", und geht ungefährdet seiner Wege. Der Kammerherr aber war froh, daß er den unheimlichen Gast so ohne weiteres los war und sich keine anderen Folgen zeigten.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04. März 1938, 91. Jahrgang

Frauenhagen

Wie der Name Frauenhagen entstand

Dorf- und Flurnamen, die irgendwann einmal entstanden, deren Ursprung und Sinn im Laufe der Zeit aber verloren ging, suchte man sich neu zu erklären. Das Dorf und die Kirche von Frauenhagen wurden im Jahre 1637 zerstört und nur acht Menschen überlebten. Die Sage erzählt darüber folgendes:

Der Ort hieß früher einmal anders. Bei einer Seuche im Großen Kriege wurden alle Menschen hingerafft. Es blieben nur noch ein Mann und acht Frauen übrig. Da diese alle zusammen wirtschafteten, wurde der Ort Frauenhagen genannt.

Quelle: Uckermark, Komm laß dich verzaubern..., Broschüre des Frauenprojektes PRAKTIKAS Starke Frauen sehen Land - Frauen in der Dorf- und Regionalentwicklung, pixel Druck GmbH, Prenzlau

G

Gerswalde

Der Alte Fritz und der Müller

Der Alte Fritz war gewiß ein großer König gewesen; aber einmal war ihm uckermärkische Bauernschlauheit in Gestalt eines einfachen Schäfers übergekommen. Es soll da rechts weg von Gerswalde gewesen sein, als der König eines Tages an einer Mühle vorbeifuhr, an der weithin sichtbar geschrieben stand: "Ich lebe ohne Sorgen." "Was, denkt der König, "habe ich mir eigens mein Sanssouci bauen lassen, damit ich einen Ort hätte, an dem mich die Sorgen nicht erreichten. Und trotzdem wars mir nicht gelungen, die graue Frau zu bannen. Und dieser Müller will zuwege bringen, was nicht mal einem König gelang? Dann kann er mehr als Brot essen. Den Kerl muß ich mir ansehen". -

Er läßt also den Müller herausrufen und fragt ihn, wie er sich unterstehen könne, hier auszuposaunen, daß er ohne Sorgen lebe. Sorgen hätte doch jeder Mensch! Der Müller aber blieb dabei, er wisse nicht was Sorgen sind. Da meinte der König, daß das nicht mit rechten Dingen zuginge und der reine Übermut wäre. Aber er wollte ihm drei Fragen vorlegen, wenn er darauf eine Antwort fände, wolle er ihn zufrieden lassen. Er solle ihm sagen: erstens wie hoch der Himmel, zweitens wie tief das Meer sei und drittens, was er, der König, gerade denke. - Das gab nun zunächst doch einen Schreck; aber der Müller fand sich bald, so leicht ließ er sich nicht ins Boxhorn jagen. Und er hielt den Kopf schief und sprach zum König: "Jao, dat geiht so up´n Plutz nich, dat will erst ´n bäten öwerleggt sin." Er dachte, Zeit gewonnen, alles gewonnen. Der König sprach: "Gut, ich habe hier beim Schulzen noch zu tun, komme ich zurück, dann will ich nichts mehr von Überlegen wissen." - Der König fährt also weiter. Der Müller aber kratzt sich die Ohren. Doch Sorgen? Diese Fragen ihm Sorgen machen? Gibts ja gar nicht. Da fällt ihm auch schon der alte Schäfer ein, dieser Neunmalgescheite; flugs läuft er zu dem und erzählt, wie es ihm erging, - "Doch", sagt der Schäfer, "nichts lichter as dat". Er ging mit dem Müller, zog sich des Müllers Zeug an und stellte sich breitbeinig vor die Mühle.

Bald darauf kommt auch der Alte Fritz zurück. "Na", sagt er, "weiß Er nun wie hoch der Himmel ist?" "N´ Dagreis´," sagt der Schäfer, "so mütt man in een Dag hen; denn Krög tum Inkehren sin dor nich unnerwägs, un Christus is ok in een Dag no`n Himmel föhrt." "Hm" sagt der König, "da hat Er sich nicht schlecht herausgewunden. Und wie tief ist das Meer? "Gen Steenworf deep", antwortete der Schäfer. "Und was denke ich?" "Wat Se denken? hä, hä, hä! Se denken, ick bin de Möller; aber ick bün jo bloßig de Scheeper in´n Möller sin Tüch". "Er Sackermenter!" drohte lachend der Alte Fritz und ist weiter gefahren mit halb zufriedenem, halb besorgtem Blick über die bestellten Fluren.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

Gollmitz

Vom neuen Friedhof von Gollmitz

Bevor die fromme Gräfin von Kallenberg einen neuen Friedhof hinter dem Gutshaus anlegen ließ, befand sich an der Stelle ein hoher, spitzer Hügel. Hier spukt es hin und wieder. Im Berg sind nämlich die Schätze des Ritters Buck bergraben. Der böse Geist des Ritters zauberte jedem, der sich dem Hügel näherte, einen Buckel an. Doch die fromme Gräfin ist tapfer immer wieder auf den Hügel gestiegen und betete "Bewahr Leib und Seel, Herrgott, vor Tod und Höll", und wirklich, der böse Geist konnte ihr nichts anhaben. Sie gelobte daraufhin, hier einen Friedhof zu errichten, auf dem sie dann auch beerdigt sein wollte. Fortan konnte in aller Ruhe der Friedhof angelegt werden, und die Arbeiten wurden von der Spukgestalt des Ritters nicht mehr gestört.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Der Grafenstein

Westlich vom Dorf Gollmitz, südlich der Chaussee nach Boitzenburg auf einer kleinen, mit kümmerlichem Gesträuch bewachsenen Anhöhe, an deren Fuß eine umfangreiche Kiesgrube liegt, befindet sich ein 1 Meter breiter Stein, auf dem 8 Näpfchen eingegraben sind, von denen 2 etwas länglicher sind. Sie machen den Eindruck, als ob die Fingerspitzen, allerdings nur je 4 einer Hand, abgebildet seien. Der Altsitzer Laatsch aus Gollmitz erzählte dazu folgendes:

Der alte Örtzen, dem mal die ganze Gegend gehörte, stand bekanntlich unter dem Bösen! Wie er so eines Tages über den Uckersee geht, jawohl, geht, (das konnte er!) da sieht er in der Nähe seiner Burg in Gollmitz einen abscheulichen Draken. Sogleich zog er seinen Säbel und ging auf den Draken los, schlug ihm auch mit dem ersten Hieb eine Kralle und mit dem zweiten Schlag eine andere ab. Der Drake in seiner Wut nahm einen großen Stein, der bei ihm lag, und warf ihn nach dem alten Örtzen. Traf ihn aber nicht. So konnte der Örtzen das Untier schließlich töten. Auf dem Stein aber sind heute noch die Krallen des Draken zu sehen. Es sind aber bloß 8 Eindrücke zu sehen, denn zwei Krallen hatte ihm der Ritter abgehauen.

Quelle: Heimatkalender Prenzlau, 1996, 39. Jahrgang, Kultur arche Prenzlau

Das steinerne Halsband

Der alte Bauer Sch. hat auf seinem Hofe vor seiner Stalltür einen runden Stein liegen, der hat etwa einen halben Meter Durchmesser. In der Mitte ist ein Loch, Sch. erzählte seinem Pfarrer, daß er den Stein von seinen Vorfahren habe und sich von ihm nie trennen werde, denn es habe mit ihm eine eigene Bewandtnis.

Vor langen, langen Jahren, als noch der Mahlzwang herrschte, mußten die Gollmitzer Bauern in die Boitzenburger Mühle, um ihr Korn mahlen zu lassen. Da machte sich auch eines Wintertages der Bauer auf den Weg und fuhr zur Mühle. Der Abend kam früh, und so mußte der Rückweg in der Dunkelheit angetreten werden. Wie Sch. nun an der Karolinenhöhe vorbeifuhr, wo es ja nicht ganz geheuer ist, hörte er plötzlich ein Toben, Schreien und Hundegebell. Es dauerte auch gar nicht lange, da sah er die alte Hexe, Hull mit Namen, die in der ganzen Gegend berüchtigt war und immer nur mit einer Meute riesiger Hunde ausritt, die Feuer spien, auf sich zukommen. Gierig wollten die Hunde die Pferde anspringen, aber schnell warf der Bauer ihnen das ganze Mehl auf den Weg. Mit wüstem Gebell stürzten die Tiere auf die Säcke und fraßen alles auf, um dann eilig zu ihrer Herrin zurückzujagen. Da sah der Bauer, daß einer der Hunde sein steinernes Halsband verloren hatte. Er lud es auf seinen Wagen, um wenigstens etwas nach Hause zu bringen. Als er seiner Frau erzählt hatte, was ihm Schlimmes passiert war, gab ihm diese den Rat, doch am nächsten Tag den Stein wieder auf die Stelle zu legen, wo er ihn gefunden habe. Als er am nächsten Morgen an die Stelle kam, da fand er seine Mehlsäcke der Reihe nach aufgestellt. Er lud aber das steinerne Halsband ab und sein Mehl dafür auf und fuhr nach Hause. Hier aber fand er auch das steinerne Halsband mitten auf seinem Hofe liegen; denn "wat'n Minsch anfot' hätt, dat nähmen de Düwels nich mehr an". Seit der Zeit ist der Stein auf dem Hof geblieben, und er hat immer Glück gebracht.

Quelle: Heimatkalender Prenzlau 1988, 31. Jahrgang , Kreiskulturhaus Prenzlau

Göritz

Das Wiesel vom "Kothschen Berg"

Fährt man von Göritz nach Schönfeld, so sieht man, nicht weit von Göritz entfernt, eine immer mehr verfallende, aber wunderschön gelegene Windmühle. Südlich von ihr liegen die "Kothschen Berge".

In einem dieser Berge hauste ein großes Wiesel. Manche sagen auch, es wäre eine große Katze. Vor diesem Tier mußte man sich in acht nehmen. Das Wiesel gehörte einem alten Heidenkönig, der in der Nähe des Berges wohnte. Er war ein reicher König, und er hatte eine schöne Tochter. Bald fand sich auch ein ebenbürtiger Freiersmann, und schließlich heirateten die beiden. Der Schwiegersohn aber war in seinem Herzen sehr böse; denn er hatte es nur auf die Schätze des alten Königs abgesehen. Er ermordete seinen Schwiegervater, raubte viel von seinen Schätzen und floh in ein fernes Land. In großer Trauer wurde der ermordete König von seinem Volk auf dem Berg beigesetzt. Viele Racheschwüre stiegen zum Himmel empor. Dem Mörder nützte die Flucht nichts, auch er wurde in der Fremde erschlagen. Seine Seele kehrte wieder in die Heimat zurück, und er mußte vor dem erscheinen, den er in gemeiner Goldgier erschlagen hatte, Nun sitzt der greise König in jeder Johannisnacht auf dem Berg und hält über den Mörder Gericht. Danach übergibt er ihn dem Wieseltier, welches ihn zerreißt und er ein sehr qualvolles Ende erleiden muß.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Gramzow

Der Schatz unter der Klosterruine

Sagen und Märchen haben sich auch um die Mauern der Klosterruine von Gramzow geschlungen. Auch von Schätzen, die sie noch verbergen, will man wissen. Ein Amtmannsknecht wußte ganz besonders gut damit Bescheid.

Er erzählte den drei Söhnen seines Herrn, daß unter der Klosterruine ein Schatz verborgen sei, den man nur in der Geisterstunde bei Mondschein heben könne. Man dürfe aber dabei kein Wort sprechen. Die neugierigen Söhne bewogen den Knecht, mit ihnen zur Ruine zu gehen, um nach dem Schatz zu graben. Munter gingen sie an die Arbeit. Nach einer geraumen Zeit stießen sie auf einen großen Kessel, in dem sie den Schatz vermuteten. Unerwartet kam der alte Amtmann hinzu, beobachtete eine Weile ihr Treiben und fragte dann verwundert, was sie eigentlich vorhätten. Alle schwiegen, weil sie fürchteten, sie könnten den Schatz verlieren. Sie bedeuteten auch dem Amtmann, sich ruhig zu verhalten, am besten sich zu entfernen. Der aber wollte sich nicht abweisen lassen, forderte vielmehr mit barschen Worten Aufklärung. Da sagte ihm einer ganz leise ins Ohr: "Wir wollen den Schatz heben." Das aber hätte er nicht sagen dürfen. Zwar wurde der Kessel freigelegt und aus der Erde gehoben, aber man fand in dem Gefäß nichts weiter als wertlose Scherben.

Quelle: Uckermark, komm laß dich verzaubern..., Broschüre des Frauenprojektes PRAKTIKAS, Starke Frauen sehen Land - Frauen in der Dorf- und Regionalentwicklung

Müller Pumpfuß

In der Gegend von Gramzow hat vor langen Jahren ein Müller gewohnt, der war ein Tausendkünstler und hat Pumpfuß geheißen. Man hat ihn aber selten zu Hause angetroffen, sondern er ist bald hierhin, bald dahin in der Gegend umhergewandert und hat dabei fleißig das Handwerk gegrüßt. Nahm man ihn nicht freundlich auf und gab ihm nicht reichlich Speise und Trank, dann geschah es wohl, daß er den Mühlstein der so groß war, daß ihn vier Pferde kaum von der Stelle brachten, auf den Nacken nahm und damit aufs Dach kletterte, wo er ihn liegen ließ, so daß der Müller und seine Gesellen ihn nachher nur mit äußerster Mühe herunterbringen konnten. Solchen oder ähnlichen Schabernack konnte man stets erwarten, wenn man ihn nicht aufnahm. Das Schlimmste dabei war, daß man ihn erst nach dem Schaden erkannte. So waren Meister und Gesellen in einer Wassermühle auch einmal gerade damit beschäftigt, eine Welle einzurichten. Da kommt er, Pumpfuß, an und bittet, man möge ihm doch eine gastliche Aufnahme gewähren. Der Müller indes weist ihn ab, indem er sagt, sie hätten jetzt keine Zeit ihm aufzuwarten. Da ging Pumpfuß fort, und als man die Welle einpassen wollte, da war sie viel zu kurz, und doch hatte man die Länge vorher ganz genau gemessen. Das kam denn doch allen sehr sonderbar vor und gleich fiel dem Meister ein, das möge wohl Pumpfuß gewesen sein. Da mußte sich denn einer eilig auf ein Pferd setzen und Pumpfuß, der noch nicht weit fort sein konnte, zurückholen. Als der nun zurückkam, da hatte auch die Welle das vollkommen richtige Maß, Pumpfuß blieb nun da und wurde gut bewirtet.

Quelle: Heimatkalender Prenzlau 1998, 24. Jahrgang, Kreiskulturhaus Prenzlau

Grenz

Vom Radberg und seinem Gespenst

An der alten Weggabel, westlich des Dorfes Grenz, wo die Wege nach Grünow und Cremzow sich teilen, befindet sich der Radberg. Hier spielte sich eine schaurige Geschichte ab, die sich während des Dreißigjährigen Krieges ereignet haben soll.

Ein Kaufmann reiste von Pommern über Grenz nach Grünow. Ein Freund des Kaufmanns aus Grünow hatte ihm einen Knecht als Führer mitgegeben, da die Wege schlecht waren. Der Knecht aber ermordete den Kaufmann um seines Geldes willen und verscharrte ihn am Wegesrand. Er ging nach Prenzlau und ließ sich von den Soldaten anwerben. Der Freund des Kaufmanns ließ nichts unversucht, um den entlaufenen Knecht wiederzufinden. Er fand ihn auch bei den Soldaten. Kein Lügen half, der Knecht mußte den Mord gestehen. Er wurde zum Tode durch das besonders qualvolle Rädern verurteilt. Das Urteil wurde auf dem Radberg vollstreckt. Seitdem spukt dort die Seele des Knechtes. Immer wieder will das Gespenst einem vorbeiziehenden Wanderer Gold anbieten. Doch die meisten wissen darüber Bescheid und nehmen es nicht an. Einmal jedoch nahm ein reicher Bauer aus Gier eine Handvoll Golddukaten von dem Geist an. Kaum hatte er es in der Hand, da verbrannte er sich die Hand bis auf die Knochen. Dazu hat das Gespenst ganz schaurig gelacht.

Reste aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges oder Hinweise auf eine Richtstätte sind auf dem Radberg bisher noch nicht gefunden worden. Als man jedoch in den 1950´ Jahren anfing, den Radberg zur Kiesgewinnung abzutragen, fand man bronzezeitliche Urnengräber, deren Alter 3.000 Jahre beträgt. Vom Radberg selbst ist heute nicht mehr viel übriggeblieben.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Groß Dölln

Bärens Kirchhof

Dort, wo die drei Kreise Templin, Angermünde und Niederbarnim zusammenstoßen, liegt der große Döllnsee. Mit einem langen Zipfel umschließt er fast den kleinen lieblichen Wuckersee. Und nicht weit von hier, unmittelbar an der Kreisgrenze, ist ein Steinmal, das man Bärens Kirchhof nennt; denn dort soll ein Förster namens Bärens begraben liegen. Es sollte in der Grimnitzer Forst nämlich einmal, wie es heißt zur Zeit des Kurfürsten Joachim, eine große Schweinsjagd abgehalten werden.

Der damalige Heidereuter Bärens begab sich deshalb drei Tage vorher an den Ort, den der Kurfürst umstellen ließ, um die Schweine zu körnen und zu beobachten. Wie er nun des Nachts still auf seinem Beobachtungsstand saß, hörte er nach zwölf Uhr plötzlich eine Stimme aus dem nahe gelegenen Bruche, die dumpf aber deutlich vernehmlich fragte "Ist der Stumpfschwanz da, der den Förster Bärens zu Tode bringen soll?" In der nächsten Nacht hörte Bärens wieder die Stimme. Da erzählte er es dem Kurfürsten und äußerte nach seinem Bericht die Vermutung, daß er annehme, die Stimme gehöre irgendeinem Hofbedienten, der ihn furchtsam machen wolle. Der Kurfürst befahl ihm darauf, niemand weiter etwas zu sagen und die folgende Nacht zu Hause zu bleiben. Statt seiner mußte nun der Büchsenspanner des Fürsten an der Stelle wachen und die Schweine körnen. Aber auch der Büchsenspanner hörte dieselbe Stimme. Darum wurde dem Heidereuter verboten, die Jagd, die am folgenden Tag vor sich ging, mitzumachen.

So war er gewiß allem in der Luft hängenden Unheil aus dem Wege gegangen. Doch als die Jagd beendet war, meinte Bärens nun unbesorgt an die Stelle hinausreiten zu können. Er tat es, besichtigte die stattliche Strecke der Schweine und siehe, es war unter den getöteten Sauen wahrhaftig ein Stumpfschwanz. Eben wollte man ihn auf den Wagen laden. Bärens trat lächelnd hinzu und sagte: "Du solltest mir das Leben nehmen und bist eher tot als ich?" Bei den Worten faßte er das Schwein, um es zu halten; derweile die aufladenden Bauern die andere Wagenleiter vorschoben. Aber weiß der Himmel wie es zuging! Der Kopf des Schweines, der schon auf dem Wagen lag, rutschte plötzlich plump und schlitzte dem Heidereuter mit seinen Hauern den Leib auf. Nach wenigen Augenblicken, nachdem er sich noch einige Male vor Schmerz im Kreise herumgedreht hatte, gab Bärens seinen Geist auf. An der Stelle seines Todeskampfes hat man den Heidereuter auch begraben. Den Platz hat man mit Steinen eingefaßt, und bis auf den heutigen Tag heißt er Bärens Kirchhof.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

Die Sage von der Klingelmarie

Nicht weit von Groß Dölln soll es vor langer Zeit ein prächtiges Schloss gegeben haben. Die Stelle heißt heute im Volksmund "Punskuhl", von einem Palast ist aber weit und breit nichts zu sehen. Der Rittersmann, der darin gelebt haben soll, hatte eine schöne Tochter namens Marie. Von Erziehung verstand er wohl nichts, denn Marie genoss alle Freiheiten, die man sich nur vorstellen konnte. Dem Mädchen tat das offensichtlich nicht gut, denn ihr Hochmut kannte keine Grenzen. So konnte es niemanden verwundern, dass die Strafe von höchster Stelle nicht allzu lange auf sich warten ließ und das Schloss samt Marie und aller anderen Bewohner in den Tiefen der Schorfheide versank. Seither befindet sich an dieser Stelle eine sumpfige Niederung, eben der "Punskuhl". Es heißt, die inmitten des Terrains blühenden Wasserrosen seien die verzauberten Burgfräuleins aus dem untergegangenen Schloss und im Schilf könne man die Knappen und Ritter erkennen. Manchmal, so wird berichtet, steigt die stolze Marie von zarten Klingellauten begleitet und in weiße Tücher gehüllt bei Nebel aus dem Sumpf. Sie hofft wohl, eines Tages von ihrem Leid der Ruhelosigkeit befreit zu werden. Niemals aber darf man die schöne Unsterbliche anrühren. Dann wird einen selbst der Tod holen.

Quelle: Brandenburg, Band 1 der Norden, Die Uckermark, ADAC Berlin-Brandenburg

Groß-Fredenwalde

Der Goldschatz im Weinberg bei Groß-Fredenwalde

Auf dem Weinberg lagen vorzeiten ungeheure Goldschätze. Obwohl es den Menschen bekannt war, getraute sich keiner an die Hebung der Schätze zu gehen; denn dieses Gold gehörte dem Teufel. Wer es haben wollte, mußte seine Seele dem Höllenfürsten verschreiben. Da war nun mal ein Bauer, der gar ärmlich war und nach einer Mißernte kaum noch was in die Suppe zu brocken hatte. Da ließ ihm der Gedanke an das Gold im Berge keine Ruhe. Des Nachts träumte er davon und zu seiner Frau sprach er wohl mehr als einmal: "Wenn man doch nur einen Sack des verteufelten Goldes hätte." Da kam ihm auch schon der Leibhaftige, dem der Bauer jetzt reif zu sein schien, ins Haus. Der Bauer verschrieb seine Seele, wußte aber noch die Bedingung daran zu knüpfen, daß er wieder frei ausgehen sollte, wenn es ihm gelänge, das Gold zwischen dem ersten und zweiten Hahnenschrei zu bergen. Der Teufel dachte bei sich, daß er das nimmermehr möglich machen könne. Außerdem zeigte er dem Bauern nun nicht genauer die Lage des Schatzes, der mußte sich ihn vielmehr mühselig allein suchen. - Nun ging ein wildes Buddeln los. Die langen und tiefen Löcher, die der Bauer mit seinen Leuten grub, sind heute noch an dem Berge zu sehen. Als nach wochenlanger Arbeit der Schatz endlich entdeckt und die nächste Nacht für seine Bergung angesetzt war, gab der Bauer vor dem Fortgehen seiner Frau ein breites Band, das sie dem Hahn nach dem ersten Schrei um den Hals binden sollte, damit ein zweiter Schrei verhindert würde. Durch diese List gelang es dem Bauern tatsächlich, den Schatz rechtzeitig zu bergen und den Teufel, der mit wilder Fratze abzog, zu übervorteilen.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

Güterberg

Der Spukgeist im Tümpel

Tümpel und Kreuzwege bei Güterberg waren vor langer Zeit ein wahrer Tummelplatz für Spukgeister, die hier um Mitternacht Angst und Schrecken hervorriefen. Gar schlimm trieb es ein Spukgeist am Rande eines Tümpels, der am Weg nach Carolinenthal liegt. Gern sperrte er dem nächtlichen Wanderer, der des Weges kam, das Weiterkommen nach Carolinenthal. Tückisch stieß er jeden, der ihm dabei zu nahe kam, in die dunkle Flut des Tümpels. Wenn Vorüberkommende seiner ansichtig wurden, und mutig versuchten, den Tümpelgeist mit gezielten Steinwürfen zu vertrieben, staunten sie nicht schlecht, daß dieses niemals gelang. Der Spukgeist behauptete seinen Platz auch, wenn er, wie es schien, von Steinen getroffen wurde. Es gab nur ein Mittel, den Spukgeist zu bewegen, in die Tiefen des Tümpels hinabzutauchen: ein Ehering. Aber dieser mußte von einem Priester geweiht sein und man mußte schon mit dem Ring nach dem Tümpelspuk werfen. Zuweilen liegt in der Nähe des Tümpels eine Semmel. Wehe dem, der diese aufnimmt oder gar von ihr zu essen beliebt. Schon das Aufnehmen zieht Krankheit nach sich, und der Verzehr der Semmel bedeutet mit Sicherheit weit Schlimmeres.

Quelle: Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg-Woldegk, Schibri-Verlag Milow

H

Hammelstall

Der Schatz bei Hammelstall

In der Nähe des Brüssower Vorwerks Hammelstall soll auf der höchsten Erhebung, die mit einem Wäldchen bedeckt ist, ein Goldschatz vergraben liegen.

Diesen hat ein Schäfer aus Schwaneberg dort vergraben, den er aus dem Gutshaus dort gestohlen hatte. Als er daraufhin eingesperrt wurde, starb er bald im Gefängnis. Einem Mithäftling teilte er mit, daß der Schatz auf dem höchsten Berg im Hammelstaller Wald liegt.

Bemerkenswert ist, das sich heute noch sichtbar auf jeder Erhebung im Walde eine leichte Delle befindet, was wohl ein Zeichen dafür gelten kann, daß tatsächlich nach dem Schatz gesucht wurde.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Hetzdorf

Der falsche Bräutigam

In Hetzdorf liegt auf einer Anhöhe, die das Dorf malerisch überragt, die wuchtige, in drei Bauteilen abgestufte Feldsteinkirche. Massig und weithin sichtbar, ragt ihr Turm ins Land. Tritt man von Westen heran, so bemerkt man, daß das für die Ewigkeit gebaute Gemäuer geborsten ist. Durch seine Stellung am Abhang hat der Turm in seiner Standfestigkeit gelitten, so daß er unterfangen und gestützt werden mußte. Eine Sage berichtet, warum der Turm geborsten ist: Die beiden reichsten Familien sollen dem Bauerndorf ihren Namen gegeben haben: Hetselsdorf. Voller Stolz und ohne Neid blickten sie auf ihren Besitz. Die Hetsels, so hießen beide, waren sich nicht nur dem Namen nach gleich. Die ältesten Söhne sahen sich zum Verwechseln ähnlich, machten dieselben Streiche und übernahmen zur gleichen Zeit die Höfe ihrer Väter. Nun mußten sie dazu auch jeder eine tüchtige Braut heimführen. Deshalb hielten sie Ausschau unter den schönen Töchtern des Landes, aber keine konnte ihnen so recht gefallen.

Endlich aber hatte der eine seine Auserwählte gefunden. Doch auch der andere verliebte sich in das Mädchen. Und als seine Liebe immer mächtiger wurde, begann er seinen Vetter zu hassen. Er beschloß, das Mädchen zu freien, komme was wolle. Doch es fand sich keine rechte Gelegenheit dazu, die beiden Verlobten zu entzweien. Treu und fest hielten sie zusammen. Der rechtmäßige Bräutigam wachte eifersüchtig, im Herzen seiner Schönen wollte er allein Platz haben. Der verschmähte Mitbewerber nahm wenige Tage vor der Hochzeit Abschied von seinen Eltern. Im Dorf sagte man, er sei in die weite Welt gezogen, vor Liebeskummer könne er es in seinem Dorf nicht mehr aushalten. In Wahrheit aber hatte sich ein teuflischer Plan in seiner Seele festgesetzt. Er versteckte sich in einer Scheune und wartete dort, bis am Abend der Bräutigam vom Poltern zurückkehrte. Hinterrücks erschlug er seinen Rivalen und verwischte alle Spuren seiner Untat.

Am nächsten Morgen dann zog er den Hochzeitsstaat des Erschlagenen an und holte die Braut zum Kirchgang ab. Niemand bemerkte den Betrug. Nun kam das Brautpaar an das Kirchportal, vor dem der Pastor nach alter Sitte die Brautleute empfing und nach ihrem Namen fragte. Leise sprach die Braut ihren Namen aus, laut und trotzig der falsche Bräutigam den Namen seines Vetters. Doch kaum hatte er den Namen ausgesprochen, da ging es wie ein Erdbeben durch den Kirchturm, ein Knistern und Brechen der großen Quadersteine in der Westwand ließ das Fundament erzittern. Laut schreiend lief die Hochzeitsgesellschaft auseinander. Der falsche Bräutigam aber war wie vom Erdboden verschwunden.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt

Der kopflose Mann

Bei Hetzdorf war mal ein Knecht nachts draußen bei den Pferden, da hört er etwas herankommen, und wie er hinsieht, ist´s ein Mann ohne Kopf, der geht immer auf und ab und macht sich allerhand zu schaffen, bald ist er hier bei dem Braunen, bald dort beim Fuchs, bald zieht er dort ein Rick vor, das der Pferdeknecht vorzuschieben vergessen hatte. So geht´s auch die folgende Nacht und ebenso in der dritten; da faßt sich der Knecht endlich ein Herz und fragt ihn, weshalb er doch hier immer umhergehe, und da erzählt ihm jener, er habe einst Pferde gestohlen und sei unentdeckt geblieben, da habe er´s zum zweiten Male versucht, sei aber von den Wächtern ertappt und hätte im Streite einen von ihnen erschlagen; darum müßte er nun hier umgehn und helfen die Pferde hüten. Als das der Knecht hörte, sagte er: "In Kanaan in Galiläa ist eine Hochzeit, da ist unser Herr Jesus Christus, da sollst du auch sein!" und kaum hat er das gesagt, da ist der kopflose Mann verschwunden und hat sich nie wieder sehen lassen.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberswalde, Prenzlau 1922

Die feurige Schlange

Vom alten Müggenkrug in der Amalienhofer Heide konnte ein Hetzdorfer Bauer noch vor Jahren erzählen, daß dort auf dem Hof des Kruges ein tiefer Brunnen stand. In Vollmondnächten war auf dem Grund des Brunnens eine feurige Schlange zu sehen. Zweimal im Jahr kam die große feurige Schlange aus dem Brunnen und kroch dann immer bis nach Hetzdorf. Hier gab es jedesmal große Aufregung, denn der feurige Atem des Tieres richtete großen Schaden an. Als sich eines Tages beherzte Männer aufmachten und den "Pütten" (Brunnen) des alten Müggenkruges mit Sand füllten, war Ruhe in der Gegend.

Quelle: Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg-Woldegk, Schibri-Verlag Milow

Hohenlandin

Der Höllentanger

Auf dem Wege von Hohenlandin nach Stendell befindet sich etwa 15 km von Hohenlandin entfernt, ein kleines, erhöht liegendes Waldstück, welches linker Hand die Gemarkungsgrenze bildet. Darinnen befindet sich eine tiefe Schlucht. Dieses Waldstück wird der Helltanger, auch Höllentanger, genannt.

Wie ist der Ort zu seinem Namen gekommen? Während des Dreißigjährigen Krieges, als das Land von wilden Heerscharen durchzogen wurde, die Städte und Dörfer gebrandmarkt, beraubt und verwüstet wurden, beschlossen zwei Hohenlandiner Bauern, ihr Vieh und notdürftige Habe unterzubringen. Sie wählten dazu den Höllentanger, der damals noch ein großer zusammenhängender Wald war. Eines späten Nachmittages bemerkten sie eine Staubwolke auf dem Weg nach Stendell. Es war ein 20 Mann starker Trupp Schweden. Schnell begannen die Bauern ihr Vieh in die Schlucht zu treiben. Das Unglück wollte es, daß gerade, als die Schweden vorbeiritten, eine Kuh zu brüllen anfing. Der Reitertrupp hatte das Kuhgebrüll gehört und war abgesessen. Während 6 Mann bei den ledigen Pferden zurückblieben, drangen die übrigen 14 Mann unter Führung ihres Cornetts in den Wald ein. Bald hatten sie den Rand der Schlucht erreicht und sahen tief unten das Häuflein verängstigter Menschen und das Vieh.

Mit lautem Geschrei stürzten sie sich in die Schlucht. Der Cornett, ein wilder, junger Geselle, war bis auf wenige Schritte herangekommen. Da brach plötzlich mit Gebrüll und Geschnaufe der wild gewordene schwarze Stier durch das Astwerk. Mit gesenktem Schädel unterlief er den Cornett und spießte ihn auf seine Hörner, zertrampelte noch zwei seiner Kumpane und raste, immer noch den Cornett auf seinen Hörnern durch das dichte Unterholz die Schlucht hinauf. Als die durch das Geschrei herbeigelockten Schweden das Ungeheuer auf sich zukommen sahen, ergriffen sie spornstreichs die Flucht, warfen sich auf ihre Pferde und jagten in wilder Hast davon und erzählten, glücklich gerettet, sie hätten den Leibhaftigen im Walde gesehen, er hätte vier Füße, zwei Hörner und einen Menschenkopf. Dort oben im Walde sei die Hölle gewesen, und seit der Zeit heißt heute noch das Waldstück "Höllentanger".

Quelle: Gerhard Hänsel, Uckermärkische Sagen, KiRO-Verlag 1996

Der Schloßbrunnen von Hohenlandin

Im Park von Hohenlandin befindet sich ein alter Brunnen, der heute überdeckt und außer Gebrauch ist. Der Kossät Johann Brinkmann hatte sein Anwesen in Hohenlandin etwa da, wo heute der Park liegt. Er war ein fleißiger, jedoch jähzorniger Mann. Sein einziger Sohn Christian, liebte die schöne Wendula, die Tochter seines Vetters Friedrich Brinkmann. Sein Vater durfte nichts von dieser Liebe wissen, da die Mutter des Mädchens eine Slawin war. An einem Sommerabend hatten sich die beiden Liebenden wieder getroffen. Währenddessen war der alte Brinkmann in seiner von einer alten Funzel erhellten Kammer auf und ab gegangen. Er ergriff seinen knotigen Eichenstock und verließ das Haus in der Richtung, da er seinen Sohn hatte verschwinden sehen. Da hörte er leises Gewisper und stürzte mit erhobenem Stock auf das Paar zu.

Zwar sprang der Sohn sofort auf und stellte sich schützend vor die zu Tode erschrockene Wendula, aber der Alte schlug sinnlos vor Wut das Mädchen nieder und dann seinen Sohn. Schweren Schrittes schleppte der alte Brinkmann seinen leblosen Sohn auf seinem breiten Rücken nach Hause. Schon an der Tatstelle hatte der Alte gesehen, daß Wendula tot war. Er war nunmehr bestrebt, die Spuren seiner Tat zu verwischen und hatte beschlossen, den Leichnam in seinen wenig ergiebigen Brunnen zu werfen. Am Brunnen angelangt, ließ er die tote Wendula hinabgleiten, holte Bretter und schwere Steine und überdeckte den Brunnen. Am nächsten Tage hob ein großes Suchen an.

Alles beteiligte sich daran, selbst der alte Johann, um keinen Verdacht zu erregen. Als man auch nach drei Tagen nichts fand, gab man die vergebliche Suche auf und es blieb nichts als das große Rätsel. Langsam genas der Sohn des alten Brinkmann. Aber als ein Jahr vergangen war und seine Schwermut nicht von ihm weichen wollte, gestand der alte Johann seinem Sohn, wo Wendula geblieben war. Am nächsten Morgen fand er die Überdachung vom Brunnen entfernt und seinen Sohn nicht mehr. Er hatte sich in den Brunnen hinab gestürzt. Bald darauf starb auch der alte Brinkmann an Gewissensqualen. An warmen Sommerabenden will dieser und jener Wendula und Christian auf dem Brunnenrand sitzend gesehen haben. Bei Nachtgewitter aber hört man wilde Schreie und Hilferufe, und dann wird alles still.

Quelle: Heimatkalender Angermünde, 1992

Hohenselchow

Die Prinzessin mit der Schweineschnauze

Zwischen Hohenselchow und Heinrichshof befand sich früher ein Berg, der jetzt völlig verschwunden ist. Auf diesem Berge hielt sich eine verwünschte Prinzessin auf, die von schöner Gestalt war, aber statt des Mundes eine Schweineschnauze hatte. Einem Manne, den sein Weg öfters spät abends zu diesem Berge führte, erschien die Prinzessin drei Nächte hintereinander. In der dritten Nacht bat sie ihn, er möge sie durch einen Kuß erlösen. Der Mann aber lehnte die Bitte ab. Da brach die Prinzessin in bittere Klagen aus und jammerte, daß sie nun wieder so lange wandern müsse, um jemand zu finden, der imstande sei, sie zu erlösen.

Gerhard Hänsel, Uckermärkische Sagen, KiRO-Verlag 1996

J

Jagow

Ein Hengst kommt aus dem Wasser

In der Gegend von Jagow pflügte einmal ein Bauer noch spät am Sonnabend, als die Sonne bereits untergegangen war. Da kam plötzlich aus einem dicht bei seinem Acker liegenden See ein Hengst mit vollem Sielzeug, der schirrte sich selbst zu den andern Pferden an den Pflug, und nun ging´s die Ackerstücken gewaltig auf und ab, so daß im Umsehen eine Furche nach der andern gezogen war; der Bauer stürzte aber atemlos hinterher, so daß ihm der Schweiß von Haar und Gesicht troff und er zuletzt kaum folgen konnte, und seine Pferde keuchten auch und waren mit weißem Schaum bedeckt. So ging´s wohl eine halbe Stunde fort ohne Ruh und Rast, bis endlich der Hengst plötzlich, wie er gekommen war, wieder verschwand, da ist der Bauer eilig nach Hause gefahren und hat nie wieder am Sonnabend gepflügt.

Quelle: unbekannt

Der Siebenrannt

Noch vor Jahrzehnten war der Glaube an Zauberei und Hexen auch in unserer Gegend verbreitet, aber längst vergangen sind die Zeiten, in denen solcher Glaube zahllose Menschen auf die Folterbank und nach dabei abgepreßten Geständnissen auf den Scheiterhaufen brachte. Zumeist waren es Frauen, die man der Zauberei verdächtigte, anklagte und oft auf grausame Weise zu Tode peinigte. Neben dem Verbrennen war auch das "Rennen mit dem Sieb" verbreitet, wobei die Beschuldigte in ein großes rundes Kornsieb gepreßt und so lange gerollt wurde, bis sie tot war. Auch einer Frau aus Jagow soll eine solche Strafe widerfahren sein. Doch noch nach ihrem "Siebrennen" spukte sie, einem alten Aberglauben zufolge, gern in unserer Heimat herum, erschreckt die Vorüberkommenden, insbesondere am Kreuzweg bei der Schindelmühle. Nur wenige wagten es daher, an diesem Ort zu Mitternacht vorüberzugehen, und keiner fand sich, den Spuk aufzuhalten, damit die Hexe endlich erlöst wurde.

Eine Sage darüber, wie es dennoch ein Jagower wagte, dem Siebenrannt zu begegnen, nimmt Friedrich Bartelt als Vorlage für seine Spukballade vom Siebenrannt:

Im Krug zu Jagow lärmt man wild;
in Qualm und Dunst der Zecher Bild,
schon Mitternacht durchs Fenster schaut;
der Zecher Schar vor niemand graut.

Der Siebenrannt, den halt ich an!
"Was gilt die Wett? - Ich bin der Mann!"
So sprach der Kühnste von den acht.
Zehn Thaler wurden ausgemacht.

"Zehn Thaler geben wir als Pfand!
Dein sei das Geld, wird frei das Land!"
Ein Glück gar, wenn des Siebes Lauf,
die wilde Fahrt, hört eimal auf!"

Gesagt, getan... Der Krug wird leer.
Zum Kreuzweg geht´s, feldein, feldquer.
Doch vor dem Ziel, da macht man halt.
Die Furcht sich an die Fersen krallt.

"Jetzt, guter Freund, eil´nur allein!
Wir schau´n dir nach von diesem Stein.
Hab´Kraft und Glück und halt dein Wort,
nicht eher gehen wir hier fort."

Er läuft geschwind, der Mond scheint hell.
Bald schallt sein Ruf: "Ich bin zur Stell!"
Doch kaum war´s Wort gedacht, gesagt,
da kam´s Gefährt schon angejagt.

Und fern ein Ächzen, Stöhnen, Schrei´n,
ein Fluchen, Zetern, Maledei´n.
"Jetzt wack´rer Freund, jetzt zeige Mut,
greif frisch hinein, und es wird gut!"

Er hört das Wort - das Sieb auch hält.
Hin stürzt das Weib, es schwankt, es fällt!
Doch weh´, mit ihr stürzt auch der Freund,
zu Tod - der beide nun vereint!

Das Sieb indes, es raste fort;
wer weiß wohin, an welchen Ort.
An Kreuzweg aber bleibt es stumm.
Was kümmert Baum und Strauch sich drum?

Doch seitwärts, bei dem Feldgestein,
da bangt die Schar, dann eilt sie heim.
Der Tag bricht an. Schnell geht die Mär:
"Der Wettehans, er lebt nicht mehr!"

Befreit jedoch scheint nun das Land,
kein Aug´ sah je den Siebenrannt.
Im Krug zu Jagow lärmt man froh,
der Spuk ist fort nach nirgendwo.

Quelle: Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg-Woldegk, Schibri-Verlag Milow

Die Sage vom Teufelssee

Geht man von Jagow ein Stück des Wegs nach dem Steinfurther Bach, so stößt man linkerhand an einen kleinen See, der von Buschwerk und Bäumen umrahmt wird. Seit undenklichen Zeiten heißt dieses Wasser Teufelssee. Wie der zu seinem Namen kam, wird nach der Sage so erzählt:

"Ein Bauer aus Jagow hatte an diesem See sein Feld. Der Acker war groß, und obwohl es schier unmöglich erschien, wollte er ihn an einem einzigen Tage umbrechen. Er trieb deshalb sein mageres Pferd zur Eile an, und als er sah, daß es Abend wurde und er doch nicht fertig werden würde mit dem Pflügen, fing er gottserbärmlich an zu fluchen: "Hüh, hott, du Schinder! Teufel noch mal, du Schindmähre, willst du wohl!" Kaum hatte er den Hinkefüßigen genannt, da öffnete sich plötzlich der See, und ein kohlrabenschwarzes Pferd stieg heraus. Es spannte sich selbst vor den Pflug und pflügte den Acker des Bauern noch vor Dunkelwerden um. Der Bauer stand mit seinem erschöpften Gaul wie gelähmt dabei. Entsetzen packte ihn, denn das konnte nur der Teufel sein, der da seinen Acker umbrach. In seiner Wut und Unachtsamkeit hatte er den Leibhaftigen herbeigerufen. Der Bauer ahnte Schlimmes, denn der Teufel fordert immer seinen Tribut. Und richtig! Kaum war das rabenschwarze Pferd mit dem Pflügen fertig, da sprang es zurück in den See und zog dabei mit unwiderstehlicher Gewalt den Bauern samt seiner Schindmähre und dem rostigen Pflug hinter sich her. Verzweifelt wehrte sich der Bauer, stemmte sich mit dem linken Bein gegen eine Baumwurzel, griff mit der rechten Hand nach einem überhängenden Ast - es half nichts, Pferd und Bauer mußten dem Teufelsrappen in die Tiefe des Sees folgen. Von Stund an wurde der Jagower Bauer nicht mehr gesehen. Nur ein Bein soll im Schilf gefunden worden sein. "He is rin in dat Woter, bi denn Deukert!" Seitdem heißt das Gewässer der Teufelssee.

Quelle: Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg-Woldegk, Schibri-Verlag Milow

K

Kaakstedt

Der Schimmel

In der Nähe des Dorfes Kaakstedt liegt das Rittergut Plötzensee an einem See gleichen Namens. Der See wird an einer Seite von einer Wiese begrenzt, die durch eine mit Bäumen und Gestrüpp bewachsene Berglehne abgeschlossen wird. Hier ist es nicht geheuer.

Des Nachts zwischen 12 und 1 Uhr, zur Spukstunde, treibt hier ein weißes Pferd sein Wesen; es rennt jeden über den Haufen, der sich zu dieser Stunde auf den Bergabhang wagt. Einst wollte ein beherzter junger Mann aus einem Nachbarorte dem Spuk zu Leibe gehn. Er stellte sich hinter einen Baum und erwartete die Spukstunde. Schlag 12 Uhr erschien auch wirklich der Schimmel und tummelte sich springend und wiehernd auf der Wiese. Den Mann, der dem Pferde vom Baume aus zusah, befiel plötzlich eine große Müdigkeit; er konnte nicht anders, er mußte sich niederlegen zum Schlafe. Während er dalag und schlief, sprang das Pferd auf ihn zu, beschnüffelte ihn, zog ihm seine Geldbörse aus der Tasche, und schlug ihn dann mit dem Hufe und verschwand. Der Schläfer erwachte und lief, so schnell ihn seine Füße zu tragen vermochten, davon.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

Kleptow

Der Fuchsdämon

Ein Bauer aus Kleptow bei Carmzow hatte einst mit dem Bösen einen Pakt geschlossen und dabei seine Seele verkauft. Dafür besaß er einen "Geist", das heißt einen Dämonen, der ihm vom Teufel geliehen war und alle Dinge verrichtete. Dieser erschien fast immer in Gestalt eines Fuchses. In den ersten Jahren hatte sein Besitzer ihn im Hause gehalten, weil er aber zu sehr nach Teufel stank, brachte er ihn auf einem Berg bei Kleptow unter, der seitdem auch der "Fuchsberg" heißt. So oft der Bauer den Namen des Dämonen rief, war er sofort bei ihm und fragte nach seinen Begierden. Alles schaffte er dann heran; nur Geld konnte er nicht besorgen. Das ärgerte den Bauern sehr! Da machte der Fuchs folgenden Vorschlag: Der Bauer sollte ihn in die Brüssower Kirche schicken, dort müßte er eine Oblate stehlen, und sie dann durchbohren.

Nun hätte der Fuchs soviel Macht, Geld herbeizuschaffen, wieviel er wolle. Der Bauer stimmte zu und befahl dem Fuchsgeist, die Oblate aus der Brüssower Kirche herbeizuschaffen. Es kam aber anders: Der Pfarrer von Brüssow erwischte den Fuchs und prügelte ihn aus seinem Fell. Mit Mühe und Not erreichte der Fuchsgeist wieder das Gehöft seines Besitzers. Er kam aber ohne Fell und Haut und ohne Oblate zurück. Er fror nun ganz jämmerlich. Listig wie er nun einmal war, fragte er den Bauern, ob er nicht ihm seine Menschenhaut leihen könnte. Der Bauer sagte zu, der Fuchs schlüpfte in seine Haut und sagte: "Du kannst Dir ja einen Pelz kaufen, wenn ich erst das Geld herbeischaffen kann!" Das war ein Hohn, denn der geschundene Bauer starb. Seitdem spukt beim Kleptower Fuchsberg ein Fuchs in Menschenhaut. Eigentlich tut er niemandem etwas Böses an, aber er versucht sich bei jedem, der vorbeikommt, als dienstbarer Geist anzubieten. Aber alle, die ihm begegnen, wenden sich mit Entsetzen ab. Noch lange soll ein Fuchsfell in der Brüssower Kirche gehangen haben; nun ist es aber verschwunden, und heute ist alles vergessen.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Der unsichtbare Nachtwächter

Die Kleptower hatten einst einen alten Nachtwächter, der nicht viel taugte und winters und sommers, anstatt zu wachen, entweder in eine Scheune kroch oder hinter der Friedhofsmauer schlief. Außerdem war er noch ein heimlicher Säufer und benötigte Nachtruhe sehr.

An einem schönen Sommermorgen hatte er wieder seinen Rausch ausgeschlafen und ging nach Hause. Unterwegs fällt ihm schon auf, daß der Pastor, dem er auf der Dorfstraße begegnete, ihm auf seinen Gruß nicht dankte, sondern sich erstaunt nach allen Seiten umsah. Noch schlimmer wird´s, als er zu Hause seine Frau in der Küche antrifft und sie nach etwas fragt. Auch sie sieht erst erstaunt umher und läuft dann schreiend zum Nachbar. Beim Nachbar muß er dasselbe erleben. Sowie er anfängt zu reden, läuft alles schreiend davon. Da erst merkte er, daß die Menschen ihn wohl hören, aber nicht sehen können, daß er unsichtbar sei. Ihm war nämlich Farnkrautsamen bei seinem nächtlichen Schlaf in den Leib gekommen. Nun reift in ihm der Gedanke, daß er ja jetzt ein feines Leben führen könnte. Nichts war vor ihm sicher, er stahl alles zusammen, vor allem Schnaps. Er trank so viel, bis er schließlich krank wurde, und der Tod über den See kam, um ihn zu holen. Aber selbst der Tod konnte ihn nicht finden, da er ja unsichtbar war.

So spukt nun seit dieser Zeit der unsichtbare Nachtwächter in der Gegend umher, und am besten kann man ihn bemerken, wenn irgendwo Schnaps unbeaufsichtigt stehen bleibt.

Quelle: Gerhard Hänsel, Uckermärkische Sagen, KiRO-Verlag 1996

Klinkow

Der Klinkower Höllenhund

Kommt man von Prenzlau nach Klinkow, so muß man kurz vor dem Ortseingang durch einen Hohlweg. Hier spukt es seit uralten Zeiten. Geht jemand zu Mitternacht durch den Weg, so muß er an einen Tümpel vorbei, dem Tisfoortenbrock, einem sumpfigen Gelände, links des Hohlweges. Hier kommt dann plötzlich der Höllenhund heraus. Er sieht furchterregend aus, hat faustgroße, funkelnde Augen und drei Schwänze – einen weißen, einen roten und einen gelben. Der Hund geht immer neben dem Wanderer her und sieht ihm ins Gesicht. Sind beide bis an den Hohlweg gekommen, dann ist der Hund plötzlich verschwunden.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Ein Teufelspakt in Klinkow

In Klinkow selbst lebte vor vielen Jahren ein Knecht, der regelmäßig seinen Wochenverdienst verspielte und vertrank. An einem Sonnabend kehrte er um Mitternacht wieder einmal mit leeren Taschen aus dem Dorfkrug heim. Laut vor sich hin fluchend ging er am Kirchhof vorbei. Wie aus der Kirchhofmauer kommend, stand plötzlich ein fremder, unheimlicher Mann vor ihm. Dieser bot dem Knecht seine Hilfe an. Er sollte sich einen schwarzen Kater besorgen, um Mitternacht an einen Kreuzweg gehen, dort ein helles Feuer anmachen, und den Kater hineinwerfen. Der Fremde – es war der Teufel selbst – wollte ihm dann einen Taler schenken. Vorher aber müßte der Knecht mit ihm um die Wette laufen. Würde er eingeholt, bevor er die Kirchhofmauer erreicht, dann müßte er dem Teufel seine Seele überlassen. Da bekam der Knecht es mit der Angst zu tun, und der Teufel war auch verschwunden.

Sein Angebot aber ließ den Knecht nicht zur Ruhe kommen. In einer Vollmondnacht ergriff er sich einen Kater, steckte ihn in einen Sack, nahm trockenes Holz und Stroh mit und aus dem Pferdestall eine Leine. Als er auf halbem Wege zum Kreuzweg war, spannte er die Leine quer über den Weg. Danach ging er direkt zur Wegekreuzung, zündete ein Feuer an und warf den Kater hinein. Da gab es plötzlich einen großen Knall, und die Luft war von Schwefelgestank erfüllt. Der Teufel stand nun leibhaftig vor ihm und hielt ihm grinsend den Taler hin. Sofort stürmte der Knecht los und sprang über die ausgespannte Leine. Der Teufel aber fiel lang hin, und ehe er den Knecht erreichen konnte, war dieser an der Kirchhofmauer. Mit großem Getöse und Gestank verschwand der Böse. So oft nun der Knecht den Taler ausgab, immer wieder fand er in seiner Tasche einen neuen. Es war eben ein Hecktaler.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Klockow

Der große Heinrich

Gleich hinter dem nördlichen Dorfausgang von Klockow biegt rechts von der Straße nach Schönfeld ein alter Feldweg ab. Er führte vor vielen Jahren durch den "Eichquast" an Hünengräbern vorüber – an Heinrichswalde vorbei – nach Fahrenwalde. Dieser Weg wurde, auf der Mitte der Strecke ungefähr, geschnitten von einem anderen, dem Weg von Neuenfeld nach Carmzow. Hier an dieser uralten Wegkreuzung trieb ein ganz wunderliches Gespenst, "De grot Hinrich", sein Unwesen.

Meist erschien er denjenigen, die, ob bei Tag oder Nacht, nicht schnell genug über die Kreuzung kommen konnten, und spielte ihnen so manchen Schabernack. Manchmal fordert er sie auf, mit ihm "Hutstoßen" zu spielen. Doch wehe ihnen, wenn sie darauf eingehen. Das Gespenst legt auf einen Stein ein Goldstück und verspricht dem, der am weitesten mit dem Fuß den Hut des Gespenstes fortstoßen könne, als Belohnung ein Goldstück. Dann stößt "De grot Heinrich" zuerst, und der Wanderer, ermutigt durch die geringe Wucht des Stoßes, will es nun auch einmal probieren. Doch das hätte er nicht tun sollen, denn statt des weichen Hutes trifft er mit voller Kraft einen harten Stein, den das Gespenst in den Hut verwandelt hat. Er kann froh sein, wenn er sich nur den "Pottschoh" (Holzpantoffel) zerbricht – und sich nicht auch die Zehen blutig schlägt. Höhnisch-meckernd lacht dann das Gespenst und verschwindet im Gebüsch.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Kröchlendorff

Das arme Zieglermädchen

Bei Kröchlendorff stand in früheren Zeiten eine Zieglerstätte. Wie lange es her ist, weiß niemand mehr zu sagen. Es war wohl die Zeit, in der Hexen und Zauberer gewaltige Macht über die Menschen hatten.

Damals lebte in einer Ziegelei ein sehr schönes Mädchen. Alle jungen Burschen versuchten ihre Liebe zu erwerben. Einer tat sich darin besonders hervor. Er meinte es aber nicht ehrlich und das Mädchen mochte den Jüngling ganz und gar nicht leiden. Eines Tages saß sie in der Nähe des Zieglerofens und seufzte von Herzensgrund. Da lachte eine helle Flamme aus dem Ofen, die die Gestalt eines Menschen hatte, und sprach: "Gräme dich nicht, ich will vergehen und entstehen - ich will dich erlösen von dem Bösen." Darauf verschwand die Flamme wieder in den Brennofen. Wie das Mädchen noch über diese geheimnisvollen Worte nachdachte, hörte es hinter sich den Ziegler gewaltig schimpfen. Aus seinem Gerede hörte sie, daß alle Flammen erloschen waren und niemand sie wieder zum Brennen brachte. Das war in der ganzen Umgebung so. Das war eine schlimme Zeit für die Leute. Eines Tages meldete sich ein Mann, der sagte, daß er ein Mittel gefunden hätte, um das Feuer im Lande wieder zu entzünden. "Laßt hören!" riefen die Menschen. "Ihr müßt den reichen Jüngling herbringen, der dem armen Zieglermädchen nachstellt, er ist Schuld an eurem Unglück." Es dauerte gar nicht lange, da brachte man ihm den Burschen. Darauf ging der Zauberer mit dem Jüngling nach der Ziegelei, in der das Mädchen arbeitete. Die Menschen strömten hinter ihnen her. Als sie zur Ziegelei gekommen waren, ließ der Mann den Jüngling auf einen Tisch steigen und befahl ihm, sich auszuziehen. Kaum hatte er das unter Widerstreben getan, da stieg aus seinem Leibe eine große Flamme empor. An dieser zündeten sich alle Zuschauer ihre Lichter und Kienspäne an. Endlich hatte auch der Letzte sein Feuer erhalten. Jetzt durfte der Jüngling vom Tisch springen. Er verließ die Gegend und das Zieglermädchen hatte fortan Ruhe.

Quelle: Gerhard Hänsel, Uckermärkische Sagen, KiRO-Verlag, 1996

L

Lübbenow

Das Steinkreuz vor Lübbenow

Vor Zeiten, als Wald, Weide und Wasser ungleich mehr Wert hatten als bebauter Acker, lebten in zwei uckermärkischen Dörfern auf halbem Wege zwischen Prenzlau und Strasburg die ehrenfesten Ritter von Vorenholt. Der eine hatte außer Acker, Wiesen, Vieh und Hufenbauern einen wunderschönen See, an dessen Sonnenseite er den Wohnhof seiner Vorfahren hegte und pflegte. Der andere hauste im nahen und wüsten Vorenholt mehr schlecht als recht. Oft genug mußte er in der alten Kirchenruine vor Feinden Schutz suchen. Sein einziger Reichtum war ein guter Föhrenwald am Kienberg. Manchmal fand er sich bei seinem Vetter, der den schönen See besaß, zu Besuch ein. Obwohl sich beide nicht recht leiden konnten, tranken sie hin und wieder ein gutes Bier im Krug.

Einmal, als die beiden Ritter wacker zechten, brachte der arme Fahrenholzer die Rede auf den See und sagte: "Du weißt, es ist Fastenzeit. Gib mir einen Korb Fisch. Du hast einen guten See, dein Fischer macht fünf Züge mit dem Netz, das bringt Fisch im Überfluß!" Der andere aber sprach: "Als ich von dir gutes Holz zum Bau meiner Kirche wollte, sagtest du, kauf dir welches. So sage ich nun: Kauf dir Fisch!" Zornig nahm darauf der arme Fahrenholzer sein Wams vom Hocker, schritt zur Tür und schlug sie dröhnend hinter sich zu. Draußen im Ausspan löste er das Zaumzeug vom Ring, schwang sich in den Sattel und gab seinem Schimmel die Sporen. Als der Hecht im seichten Wasser des Sees stand, dort, wo die hellen Birkenstämme bis ans Schilf reichen und das zarte Grün mit dem dunklen Blau und hellen Gelb fröhliche Dreieinigkeit feierte, gewahrte der Fischer des reichen Fahrenholzers, daß einige Hechtköpfe auf den leicht mulmigen Grund des Sees gesunken waren. Er legte sich einige Tage auf die Lauer, ließ den Kahn absichtlich am Ufer halb im Wasser liegen, den Fischspeer wie achtlos neben dem Staken. Es währte auch nicht lange, da sah er eines Morgens, wie der arme Fahrenholzer den Kahn vorsichtig ins klare Hechtwasser stakte.

Der Fischer eilte zu seinem Herrn und erzählte hastig, was am See vorging. Beide liefen zur Kahnanlege, sprangen in das Boot des reichen Fahrenholzers und ruderten nach Kräften auf den Fischräuber zu. "Du willst wohl, daß ich deine Föhren fälle," rief erbost der reiche Fahrenholzer. Und als er sah, daß schon einige kapitale Hechte auf dem Kahnboden lagen, forderte er, der Fischräuber solle an Land staken und die Hechte herausgeben. Der arme Fahrenholzer glitt gemächlich mit dem Kahn zum Ufer. Als beide Kähne in den Sand schnitten, zog der Fischräuber sein Jagdmesser, hieb den Hechten die Köpfe ab, einem nach den anderen, warf die kopflosen Fische ins Schilf, zeigte auf die Hechtköppe im Kahn und sagte: "Da, Vetter, nimm´ dir die Reste!" Er stieg aus dem Kahn, sprang auf seinen Schimmel und trabte ohne Eile davon. Da ergrimmte der Herr des Sees gewaltig. Er nahm den Hechtspeer, ließ seinen edlen Rappen satteln und galoppierte hinterher. Kurz hinter dem Dorf erblickte er den Fischräuber.

In vollem Ritt holte er mit dem Speer weit aus und schleuderte ihn wohlgeübt auf den Rücken des Fahrenholzers. Dieser stöhnte laut auf, beugte sich vornüber und glitt dann willenlos von seinem Schimmel. Von seiner schweren Wunde erholte er sich nicht und verstarb vor der Zeit. An der Stelle aber, wo er vom Pferd gesunken war, errichtete der reuige Sohn des gewalttätigen Vetters nach Jahren ein Sühnekreuz, das mehr als 100 Jahre Vorübergehende an die böse Tat erinnerte. Doch eines Tages war das Steinkreuz vor Lübbenow verschwunden. Kein Mensch hat es je wieder gesehen.

Quelle: Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg-Woldegk, Schibri-Verlag Milow

Lützlow

Die Zwerge im Berg bei Lützlow

Unweit vor dem schönen alten Bauerndorf befinden sich die "drei Berge". In diesen wohnten seit Urzeiten Zwerge.

Wie nun ein Bauer an einem der Berge pflügt, so tritt da ein kleines Männchen vor ihm hin, vertritt ihm den Weg und fragt, ob er nicht in den Berg mitkommen wolle, es sollte auch nicht sein Schaden sein. Der Bauer ließ auch gleich Pflug und Ochsen stehen und ging mit. Am Berg sah er eine offene Höhle, aus der ein langer Gang weiter in den Berg führte. Da bekam es der Bauer mit der Angst zu tun und lief schleunigst davon. Wäre er hineingegangen, dann hätte er wohl sein Lebtag lang Geld genug gehabt.

Oft entstehen solche Sagen, nachdem schon vor Jahrhunderten Bauern beim Pflügen vorgeschichtliche Gräber fanden, zum Beispiel Urnengräber. Man stellte sich vor, daß die darinnen bestatteten Menschen sehr klein gewesen sein müßten. Dagegen flößten ihnen die aus gewaltigen Feldsteinen errichteten steinzeitlichen Gräber Achtung ein, so daß man dachte, nur Riesen, also Hünen, hätten solche Grabmonumente errichten können. Tatsächlich wurde unweit der "drei Berge" ein Skelettgrab eines germanischen Mannes aus der Völkerwanderungszeit entdeckt.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Lychen

Der Totschlag

An der Chaussee zwischen Lychen und Fürstenberg führt ein Stück Wald den Namen "Totschlag". Vor vielen Jahren soll dort ein Förster von Wilddieben erschossen worden sein. Den Täter hatte man damals trotz eifrigen Forschens nicht ermitteln können. Eine ganze Reihe von Jahren danach ist dann das Stück Wald, in dem man die Leiche des Försters gefunden hatte, abgeholzt worden. Dabei soll ein alter Holzfäller von einem stürzenden Baum erschlagen worden sein. Bevor er seine Augen zumachte, hat er seinen Arbeitskameraden gesagt, daß er es gewesen sei, der vor Jahren den Förster erschoß. Heute aber sieht man zwischen den hohen Wacholderbüschen des Totschlages noch einen Mann ohne Kopf umherirren und jeder beschleunigt seine Schritte, um hier schneller vorbeizukommen.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

M

Melzow

Der Wrangelstein bei Melzow

Im Gramzower Forst liegt unweit nördlich von Melzow ein großer Findling, der im Volksmund den Namen "Wrangelstein" trägt. Die Länge dieses Steines beträgt 3,40 m, die Breite 1,40 m und im Umfang mißt er immerhin 8,25 m. Aus dem Waldboden ragt er etwa 1 Meter hervor. Wie tief er noch im Boden liegt, ist bislang noch nicht untersucht worden. Im vorigen Jahrhundert waren diese Waldungen das beliebte Jagdrevier des preußischen Feldmarschalls von Wrangel (1784-1877), der zusammen mit dem Minister Graf von Brandenburg und dem Oberförster von Kolilinski aus Gramzow hier dem "edlen" Weidwerk frönte. Zur Erinnerung daran wurden seinerzeit in den Stein deren Namen und Jahreszahl in folgender Reihenfolge eingemeißelt: Graf von Brandenburg, von Wrangel, 1848, von Kolilinski. Interessant sind zwei Sagen, die sich um diesen Stein ranken, die von dem Melzower Forstarbeiter Kuhk mitgeteilt wurden. Obwohl sie jeglicher historischer Grundlage entbehren, sind sie es wert, hier mitgeteilt zu werden, geben sie doch auf ihre Art und Weise eine Erklärung über die Herkunft der eingemeißelten Namen und des Steines überhaupt. Als sich während der bürgerlichen Revolution in den Jahren 1848/49 die Unruhen in Berlin verstärkten, wurden Truppen aus den umliegenden Städten angefordert.

Aus Prenzlau zog daraufhin General von Wrangel mit einem kleinen Heer in Richtung Berlin. Im Gramzower Staatsforst kam ihnen ein Kurier entgegen, der den Grafen davor warnte, weiterzuziehen. Der Kurier berichtete, daß man in Berlin die Frau und die Tochter des Grafen von Wrangel (Wrangel wurde erst 1864 der Grafentitel verliehen) als Geisel genommen hat und diese töten wird, sobald der Graf mit seinen Truppen Berlin erreicht. Daraufhin rastete der Graf von Wrangel längere Zeit in der Nähe des großen Findlings. Zur Erinnerung an diese Begebenheit ließ er seinen und die Namen der anderen Adligen in den Stein einmeißeln. So wie der Volksmund mit dieser Farce eine Erklärung für die eingemeißelten Namen erfand, wurde diese selbstverständlich auch für die Herkunft des Steines gefunden. Hierfür waren, wie bei vielen anderen Findlingen, natürlich "Riesen" verantwortlich.

Wer sonst wohl hätte einen solchen Koloß bewältigen können? Die folgende kurze Erzählung reiht sich ein in einen Kranz von Teufels- und Riesensagen, wie sie vielfach um Findlinge bei uns in der Uckermark überliefert wurden: Einst hausten auch in Prenzlau und in Angermünde die Riesen. Diese gerieten eines Tages miteinander in Streit. Warum und weshalb weiß heute niemand mehr. Jedenfalls versuchte der Prenzlauer Riese als Folge dieses Streites, die Marienkirche in Angermünde mit einem Stein einzuwerfen. Ihm reichte jedoch nicht die Kraft, oder der Stein war zu groß. Er ging bei Görlsdorf, unweit von Angermünde nieder, wo er noch heute liegen soll. Als der Angermünder Riese davon erfuhr, war er sehr erbost. Auch er warf einen Stein, um die Marienkirche in Prenzlau einzuwerfen. Jedoch verfehlte auch er sein Ziel. Der Stein ging unweit von Melzow nieder, wo er noch heute liegt.

Quelle: Heimatkalender Prenzlau 1982, 25. Jahrgang, Kreiskulturhaus Prenzlau

Menkin

Der Düwelspool

An der stillen Trift des uckermärkischen Dorfes Menkin, am alten Kirchensteig der nach Wollschow führte, stand einst im Mittelalter ein kleines mit Rohr gedecktes Lehmhaus. Hier drin wohnte eine Schäfersfamilie, die vier Söhne hatte.

Der Vater versah tagsüber die Schafherde des Winterfeldtschen Gutes. Trotzdem der Herr die Leute immer gut behandelt hat, herrschte doch eine Armut unter der Dorfbevölkerung. Die vielen Kriegsdurchzüge in der Uckermark haben das Land und seine Bewohner ausgeblutet. Da kam der Schäfer eines Tages auf die Idee, heimlich Schafe aus der Herde zu schlachten. Da zu der Zeit der Aberglaube sehr stark unter der Bevölkerung verbreitet war und demzufolge es oft spukte, lenkte der Schäfer durch sein Tun die Leute in diese Richtung, denn nur so war er sicher, daß die Angelegenheit nicht so schnell ans Tageslicht kam. Er tötete nämlich die Schafe und legte sie in einen Sarg. Um die Mitternachtszeit zog er mit seinen vier Söhnen, die alle von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet waren, durch den Park. Sie nahmen weiter den Weg, der vom Gut über das Feld führte, zu einem Pool. Dort zerlegten sie die gestohlenen Schafe und portionsweise verteilte der Schäfer am nächsten Tag heimlich die kleinen Fleischpäckchen unter der armen Bevölkerung. Doch Reisende und einsame Wanderer, die aus Richtung Löcknitz kamen, gewahrten manchmal in mondklaren Nächten, den unheimlichen Leichenzug und vermuteten, daß dort der "Düwel" danzte. Sie traten an den Pastor ran und berichteten von dem nächtlichen Geschehen. Mit ein paar Mutigen aus dem Dorf, begab sich der Pastor auf den Weg, um angeblich das Teufelstreiben zu beobachten. Dabei wurden der Schäfer und seine vier Söhne erkannt, und von der Zeit an nannte man den Pool den "Düwelspool".

Quelle: Heimatkalender Prenzlau 1995, 38. Jahrgang, Kultur arche Prenzlau

Milmerdorf

Der Jakobssee

Wer vom Bahnhof Milmersdorf durch den herrlichen Laubwald dem Edelsitze Suckow zuwandert, der kommt da, wo die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn die Gerswalder Chaussee schneidet, an dem Jakobssee vorüber. Wo jetzt der See ist, da soll ehemals "Jakobsdorf", das dem Kloster Seehausen tributpflichtig war, gestanden haben. Die Sage weiß von dem See folgendes zu erzählen. Vor vielen, vielen Jahren lebte in Jakobsdorf ein mächtiger und böser Ritter. Zechen, verbunden mit grausem Fluchen und Rauben, sowohl am lichten Tage als in dunkler Nacht, waren die Beschäftigungen, an welchen sein böses Herz das größte Wohlgefallen fand. Gleichgesinnte Knappen und Knechte standen ihm mit Leib und Leben zur Seite und leisteten ihm bei allen Freveln die bereitwilligste Hilfe. Es konnte nicht fehlen, daß er von aller Welt gefürchtet wurde. Niemand hatte Umgang mit dem wüsten Gesellen; jedermann haßte ihn. Als er aber nicht mehr fern war von der Grenze des angehenden Alters, schien es ihm hohe Zeit, Umschau unter den Töchtern des Landes zu halten und zu heiraten.

Doch kein hochadliges Fräulein, nicht einmal die Tochter eines schlichten Bürgers trug Verlangen, Hand und Herz einem Manne zu schenken, der von jedem redlichen Menschen verabscheut wurde. Endlich fand sich die Braut. In ziemlicher Entfernung von Jakobsdorf wohnte die Witwe eines verstorbenen Ritters. Sie hatte eine Stieftochter, welche sie recht bitter haßte. Mit teuflischer Freude nahm sie daher die Brautwerbung des Ritters um ihre Stieftochter an. Sie wußte nur zu gut, unglücklicher konnte sie das gehaßte Kind nicht machen, als wenn sie die Gemahlin eines Mannes wurde, dessen Herz kein edles Gefühl kannte und auf dessen Haupt unzählige Verwünschungen ruhten. Das unglückliche Kind sträubte sich; es flehte um Erbarmen, aber vergeblich. Das harte und boshafte Gemüt der Mutter ließ sich nicht erweichen. Der Tag der Hochzeit erschien. Sie sollte in den Prunkgemächern des Schlosses von Jakobsdorf stattfinden. Alles war zubereitet. Die Kutsche, mit vier Pferden bespannt, fuhr vor. Bleich mit verwundetem Herzen stieg die Braut ein. Der Mutter Antlitz glänzte vor böser Schadenfreude; kein freundlicher Glückwunsch kam über ihre Lippen, denn die Tochter sollte ganz unglücklich werden.

Als die Braut auf die Höhe der Fliether Feldmark kam und die waldigen Besitzungen ihres zukünftigen Gemahls erblickte und das Schloß aus den Baumkronen hervorlugen sah, da wollte ihr fast das Herz brechen. Es war Abend, als der Wagen in den prächtigen Wald einbog. Die Sonne vergoldete den Himmel. Die Blumen hatten ihre Kelche geschlossen, die Vögel zwitscherten und vom nahen Turme ertönte das Betglöcklein. Die Tore öffneten und schlossen sich. Die junge Braut aber bat um ihren und um den Untergang dieses Schlosses. Ihr Wunsch wurde erfüllt. In der Nacht zog ein Gewitter herauf. Blitze zuckten, Donner rollten. Der Sturm rüttelte und schüttelte die Eichen und Buchen, daß sie in ihren Zweigen und Ästen ächzten und krachten. Der Regen goß in Strömen hernieder, Fenster klirrten und Ziegelsteine prasselten. Als die Sonne aufging, waren Schloß und Dorf verschwunden, im Wetter untergegangen.

Ein See war entstanden, der bis auf den heutigen Tag der Jakobssee oder Jakobsdorfer See heißt. Seit Jahrhunderten spiegeln sich dicke Eichen und Buchen in der geheimnisvollen Flut. Wie im Vollgefühle ihrer Schönheit und Pracht breitet die Seerose ihre großen Blätterschwingen aus und um sie herum reihen sich als lieblicher Kranz die anmutigen gelben Teichrosen. Am Ufer erhebt der Igelkolben sein stachlig Haupt, schießt das Pfeilkraut mit seinem zackigen Blatte und der schneeweißen, dreiblätterigen Blüte hervor, richtet der Froschlöffel seine rosig rote Blütenpyramide empor und tauchen wie Grenadiere Sammetwalzen vom Rohrkolben auf. Im Rohre nistet der Rohrsperling, haust die wilde Ente. Grellfarbige Wasserjungfern schwirren und schaukeln über dem Wasser hin, und auf dem Mummelblatt sonnt sich der Frosch. In mondhellen, stillen Nächten haben Fischer nach der Sage die Glocken der mituntergegangenen Kirche läuten hören, und die Netze sind zum Verdrusse der Fischer schon öfter an der Turmspitze sitzen geblieben. Mancher Wanderer, der in der Nähe des Sees im Schatten der Bäume ein Mittagsschläfchen gehalten hat, will die holde Braut im Traume gesehen haben und weiß ihre Anmut und Schönheit nicht genug zu preisen.

Quelle: unbekannt

Die Stadt im Kölpinsee

Der Kölpinsee bei Milmersdorf liegt nicht etwa von Urzeiten an der Stelle, wo er jetzt auf derKarte verzeichnet ist. Vielmehr stand dort früher eine Stadt. Die Bewohner waren sehr reich. Darüber vergaßen sie den strebsamen Eifer, mit dem sie das viele Geld angehäuft hatten. Anstelle des Strebens trat Behäbigkeit; die Behäbigkeit hatte Genuß im Gefolge; der Genuß vergaß den Herrn im Himmel und machte den eigenen Bauch und das Geld zum Gott. Das Geldzählen wurde die liebste Beschäftigung der Bewohner. Da ließ der liebe Gott den Ort, als einst die Lästerungen den Gipfel erklimmten, untergehen und an seine Stelle den See treten. Ab und zu taucht der Ort ans Tageslicht als Warnung gegen Genuß und Eigennutz. Einmal erlebte dies ein Milmersdorfer Bauer, der in der Nähe pflügte. Von dorther, wo am See eine vereinsamte Kirchenruine liegt, vernahm er heftiges Glockenläuten. Ein erst ferner, dann immer näher kommender frommer Gesang setzte ein. Der Bauer wandte seinen Blick zur Ruine; aber da war das gewohnte Bild. Doch nun läßt er seine Augen über den See schweifen und siehe, welches Bild: herrliche Bauten spiegeln sich im Wasser wider. Aber zwischen den Häusern folgen keine frommen Beter dem mahnenden Glockengeläut, das immer lauter ertönt, bis es mit einem herzzerreißenden Klang abbricht. Auch ein Mädchen, das einstmals in der Nähe der Ruine Feldblumen zum Strauß fügte, hat für Minuten dieses Bild gehabt. Ihr aber wurde das fromme Läuten zum Krachen und Sturmgeläute. Hochauf peitschte das Wasser des Sees, um im nächsten Augenblick wieder ruhig und still dazuliegen. Schreiend entfernte sich das Kind. Ein andermal wird erzählt, daß es sich bei der untergegangenen Stadt nur um ein Dorf handelt. Zeuge seines Unterganges wurde ein Liebespaar, das sich verirrt hatte. Als es die Nähe der Häuser für das eigene Dorf hielt, wollte es, um nicht gesehen zu werden, hinten herum schlüpfen Das war aber sein Glück; denn im Umsehen gewahrten sie das Versinken der Schattenhaften Häuser und mächtige Kreise auf einem großen Wasserspiegel. Voller Schrecken beschleunigten sie ihre Schritte.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

Der Teufelsbrunnen am Briesensee

Nördlich von Milmersdorf liegt der Briesensee; aber noch weiter fort hatte der Schäfer des Dorfes seine Schafe zu treiben. Da lechzten abends auf dem langen Heimweg Hirt und Herde nach des Tages Hitze nach einem erfrischenden Trunke. Doch der Briesensee hatte ehemals fast schwarzes und ungenießbares Wasser. Er bot der Herde keine willkommene Rast, und halb verdurstet kam sie mehr als einmal vor dem Dorfe an. Einmal nun war dem Schäfer das Fluchen über die Lippen gekommen. "So schlimm kann´s ja kein Teufel mit einem meinen!" brummte er mit trockener Zuge. Er sollte den Teufel nicht umsonst beschworen haben, gleich war der Leibhaftige zur Stelle und erbot sich, in der Nähe des Briesensees einen Brunnen zu bauen, der das reinste und beste Tinkwasser führte. Da versprach der Schäfer dem Teufel seine Seele, wenn er die Arbeit von Feierabend bis Mitternacht bewältigte. Sogleich denselben Abend begann der Satan das Stück Arbeit. Man hörte ein Sausen und Brausen in der Luft; der Teufel schwirrte hin und wider, und bei jedem Kommen ließ er beide Arme voll Steine auf die Erde klatschen. Die Steine brauchte er aber dazu, um das Wasser des Briesensees darüber hinwegzuleiten, damit es klar und sauber werde. Dazu gehörten jedoch nicht wenig Steine. In der weitesten Umgegend waren die Steine schon aufgebraucht, und noch war der Brunnen nicht fertig. Der Brunnenrand zumindest fehlte noch. Da sauste der Teufel bis nach Pommern, um die fehlenden Steine zu holen. Und weil er alles in der größten Eile betreiben mußte, dieweil die Zeit tüchtig fortgeschritten war, stieß er in der Hast an einer der Prenzlauer Marienkirchtürme und - es rasselte das Räderwerk, die Glocke fing vorzeitig an, die zwölfte Stunde zu schlagen. Da fluchte der Teufel über seine Ungeschicklichkeit und die saure verpatzte Arbeit. Voller Wut schleuderte er alle Steine in der Nähe des Brunnen auf die Erde und verschwand. Daher ist die Gegend dort so reich an Steinen. Der Brunnen ist zwar nicht vollendet worden, doch das Wasser des Briesensees wurde klar. Der Schäfer aber, aus Dank über seine Errettung aus Teufelsklauen, pflanzte ein Bäumchen neben dem Brunnen. Das Bäumchen wurde bis auf den heutigen Tag zu einer der ältesten und dicksten Blätterriesen der ganzen Uckermark. In der dortigen Gegend soll es sogar jetzt noch in düsterer Nacht ohne Mond- und Sternenschein hohl rollen wie vom Klatschen und Rumoren polternder Steine, mit denen eine ganze Schar Arbeiter am Werke ist.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

Milow

Die Sage vom Schicksalsvogel

Vor runden zwei Jahrhunderten ließ der damals reichste Bauer von Milow sein Jüngstgeborenes, einen Sohn, taufen. Das ganze Dorf lud er dazu ein, nur die alte Lindemannsche nicht. In jungen Jahren hatte sie seinem Vater wegen verschmähter Liebe rachsüchtig drei Jahre lang die Strohmieten angezündet. Nun starb jedoch der Sohn des Bauern kurz nach der Taufe. Als der Totengräber das Grab für das Kind schaufelte, bemerkte er einen Vogel, der auf dem Gitter des benachbarten Grabes hockte. Er glich zwar in der Form einer Krähe, wechselte aber beständig die Farbe seines Gefieders. Bald war es gelb, bald grün. Der Totengräber übte zugleich auch das Amt des Nachtwächters aus. Dabei beobachtete er, daß sich der buntgefiederte Vogel häufig in einem Gebüsch vor dem Haus der alten Lindemannschen aufhielt. Einmal wollte der Totengräber-Nachtwächter den Vogel fortjagen.

Aber da erhob sich ein so furchtbares Gekreische, daß eine große Angst in ihm aufstieg. In diesem Moment kam der Schmiedegeselle torkelnd aus dem Wirtshaus und schwankte auf den Nachtwächter zu. Der teilte ihm natürlich sofort seine Beobachtungen mit. Da wollte ihm der Geselle helfen, den Vogel fortzujagen, und warf einen Stein in das Gebüsch. Er traf jedoch nicht den Vogel, sondern das Fenster der Lindemannschen. Sie erschien sogleich und machte einen Mordsspektakel. Am nächsten Morgen fand man den Schmiedegesellen in der Schmiede leblos vor seinem Amboß. Die einen sagten, er habe sich totgesoffen; andere behaupteten aber, der Vogel hätte seine Seele geholt, zur Strafe für das eingeschlagene Fenster. Die Lindemannsche sei doch eine Hexe, und wehe dem, der ihr zu nahe kommt! Nach längerer Zeit brachte sich der Vogel wieder in Erinnerung bei den Leuten.

Zwei Milower Bauern hatten sich in Prenzlau vor Gericht verklagt. Es heißt, einer von ihnen hätte dabei einen Meineid geleistet, worauf der andere eines Tages dem Landreiter folgen mußte. Am Haus seines Gegners hob der Unschuldige die Faust und rief: "Der Herrgott wird dich schon kriegen!" Weitere Wochen vergingen. Der Totengräber saß wieder einmal gemütlich auf der Bank der Kossäthen. Da vernahm er ein rauschendes Flügelschlagen. Kurze Zeit später erblickte er auf dem Torbogen des Bauerngehöfts, das dem Meineidigen gehörte, einen großen Vogel. Bei genauerem Hinsehen bemerkte er, daß es derselbe Vogel war wie ehedem auf dem Grabgitter.

Auch jetzt wechselte er andauernd die Farbe, und nach einer Viertelstunde verschwand er wieder. Aber gegen Morgen donnerte der Knecht mit dem Kutschwagen aus dem Gehöft. Der Bauer hatte plötzlich seine Herzanfälle bekommen. Bevor der Knecht mit dem Arzt zurückkehrte, war der Bauer verstorben. Der Fluch seines Gegners hatte sich erfüllt. Der Vogel saß danach wieder versteckt im Holunderstrauch. Um das Haus der alten Lindemannschen machten die Leute fortan einen großen Bogen. Voller Scheu blickten sie nach dem Holunderbusch. Aber der seltsame Vogel fand auch sein Ende. Die Franzosen kamen ins Land. Ein Captaine schoß ihn treffsicher vom Holunderbusch herunter. Am nächsten Tag fiel der Captaine im Kampf, doch die Milower waren seitdem ihren Schicksalsvogel los.

Quelle: Erwin Schulz, Milower Mosaik, Schibri-Verlag Milow,1995

Das tönerne Huhn

In der Ziegelei von Strasburg muß es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Man erzählte sich, daß einer der alten Ziegelmeister habe zaubern können. Davon hatte ein Milower Bauer gehört. Er holte eines Tages den alten Ziegler auf seinen Hof, denn er sollte helfen, die Tochter vor einer Dummheit zu bewahren. Die wunderschöne Tochter des Milower Bauern war in einen armen Ziegelknecht verliebt. Beide hatten sich heimlich versprochen und konnten nicht voneinander lassen. Die Eltern des Mädchen waren aber dagegen und nun sollte der alte Ziegler helfen, der Tochter die Flausen auszutreiben.

Der alte Meister aus Strasburg willigte für gutes Geld in den Plan der Bauersleute. Er holte sich etwas Ziegelton aus seiner Grube und formte daraus unter seltsamem Gemurmel ein Huhn. Es sah aus, als ob es lebte. Der Ziegler gab der Bauersfrau das tönerne Huhn und sagte, sie solle es mit in ihr Bett nehmen und am Morgen danach schlachten. "Aber es lebt doch nicht", meinte die Bäuerin. "Ich kann doch nicht den Ton schlachten!" Sie solle nur tun, was er gesagt, meinte der Strasburger Zauberer.

Sie solle das Huhn sogar rupfen und braten und dann ihrer Tochter und dem armen Zieglerknecht davon zu essen geben. Die Frau tat, wie es ihr der Ziegelmeister geraten. Sie nahm das Tonhuhn mit in ihr Bett und staunte am nächsten Morgen nicht schlecht, als sie das Huhn quicklebendig vorfand. Sie schlachtete es und bereitete ein gutes Mittagsmahl daraus. Die Bauersleute riefen die heimlich Verlobten zu Tisch und gaben zu erkennen, daß sie gegen eine Ehe nichts mehr einzuwenden hätten. Doch sobald die beiden Verlobten von dem Huhn gegessen hatten, war es mit ihrer Eintracht und Liebe vorbei. Sie konnten sich nicht mehr leiden und liefen auseinander.

Quelle: Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg-Woldegk, Schibri-Verlag Milow

N

Neuenfeld

Der Keller bei Neuenfeld

Etwa zwei Kilometer südöstlich des alten Gutsdorfes Neuenfeld findet der Wanderer - in einer recht bewegten Landschaft mit kleinen Wasserlöchern, Seen und vor allen Dingen Hügeln - ein gut erhaltenes Großsteingrab aus der Steinzeit, ein sogenanntes "Hühnengrab". Weitere Hügelkuppen sind sicher auch als Grabstätte der Vorzeit genutzt worden. Diese Landschaft wirkt schwermütig, aber auch spannungsgeladen. Hier spukt es seit Jahrhunderten.

So wurde im Jahre 1939 eine Sage aufgezeichnet, daß "man im sogenannten alten Neuenfelder Wald des Nachts etwas erblickte, was wie ein weißes Laken aussah"! Einen recht sonderbaren Namen hat das weithin sichtbare Großsteingrab. Es wird der "Keller" genannt. Der Sage nach soll eine Treppe in einen unterirdischen Gang führen, der zur "schwarzen Kuhle" weitergeht, einem tiefliegenden kleinen See nördlich der Grabanlage. Hier wird in Vollmondnächten eine goldene Kutsche gesehen, in der eine Frau mit vor Grauen erstarrtem Antlitz sitzt. Neben ihr sieht man einen Mann mit einer roten Kappe, auf der eine Hahnenfeder steckte. Dreimal umrundet die Kutsche die "schwarze Kuhle" und verschwindet dann im Wasser. Eine weitere Sage berichtet von einer Hexe, die nördlich des Großsteingrabes immer wieder Sand holte, so daß im Gelände eine Vertiefung entstand. Der Sand wurde von ihr wieder angeschüttet, dort wo heute eine Anhöhe sich befindet. Ein Kobold treibt sein Unwesen am Wege von Neuenfeld nach Heinrichshof. Hier befindet sich das "Totenbruch". Kommt des Nachts ein Wanderer des Weges, so springt einem der Kobold auf den Rücken. Geht man jedoch ruhig weiter, so wird man den Kobold bald wieder los.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Nieden

Die wunderlichen Leute auf dem Tangerberg

Rechts der Chaussee von Prenzlau nach Pasewalk, gleich hinter der Kreuzung der Straße von Nieden nach Damerow sieht man ein markantes Hügelgelände mit der alten Namensbezeichnung "Tanger- oder Tannerberg". Hier sollen die sogenannten "kleinen wilden Leute" im Dunkel der Tannen ein heimliches Leben geführt haben.

Sie feierten besondere Feste, und sie achteten ganz besonders darauf, daß niemand in die Nähe des Hügels kam, um sie zu beobachten. Ein Nachtwächter aus Nieden aber, der sehr neugierig war, wollte wissen, was die kleinen Leute da heimlich bei ihren Festen so trieben. Er schlich sich in einer Vollmondnacht an die Feierstätte heran. Er sah mitten auf dem Berg ein großes Feuer, und herum im Kreis saßen lauter große Raben. Sie saßen ganz still und hörten zu, was ein großes Pferdegerippe ihnen in für den Nachtwächter unverständlichen Worten sagte. Als der stille Teilhaber das sah, erschreckte er sich heftig, und er lief davon, so schnell er konnte. Am nächsten Morgen fand man zwei der "Waldleute" tot am Wegesrand liegen. Es waren die Wächter der nächtlichen Feier gewesen, die eigentlich unerwünschte Zuschauer fern halten sollten. Sie waren als Strafe für ihr Vergehen erschlagen worden. Die anderen sonderbaren Menschen vom Tangerberg aber hat man in dieser Gegend nie wieder gesehen.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

P

Parmen

In Parmen ist folgende Sage zu Tage gekommen:

Vor vielen Jahren, als der Große Parmen-See noch zu Parmen gehörte, haben sich einmal Graf von Arnim, der Besitzer von Parmen war, und der Graf Schwerin, der der Grundherr von Fürstenwerder war, am Parmener See getroffen. Der Graf Schwerin wollte gern den See besitzen. Es gelang ihm, den Grafen Arnim zu einer Wette zu überreden. Wer an einem bestimmten Tag der erste am See ist und die heißeste Tasse Kaffee mitbringt, der sollte den See haben. Der Graf von Arnim ging darauf ein. Er glaubte, seiner Sache sicher zu sein, denn er wohnte ja viel näher am See als der andere. Als es nun an jenem Morgen gerade hell wurde, kam Graf von Arnim mit einer Tasse Kaffee an den See. Graf Schwerin war aber schon da. Er hatte sich über Nacht im Rohr des Sees eingenistet, am Morgen ein Feuer daselbst gemacht und den Kaffee an Ort und Stelle gekocht. Als nun Graf von Arnim herankam, trat der andere Graf mit seiner dampfenden Tasse Kaffee aus dem Rohr. Natürlich war sein Kaffee heißer als der seines Gegners. Und so bekam Graf Schwerin den See. Darum wird auch heute noch oft gesagt: "Graf Schwerin hat den Parmener See für eine Tasse Kaffee gewonnen".

Quelle: Uckermark, komm laß dich verzaubern..., Broschüre des Frauenprojektes PRAKTIKAS, Starke Frauen sehen Land - Frauen in der Dorf- und Regionalentwicklung

Pinnow

Der Kobold

Ganz in der Nähe der alten Poststraße von Berlin nach Stettin liegt im Pommerschen das Dorf Pinnow. Vor Zeiten lebte dort ein Bauer, der den Kobold hatte. Jedes Jahr im Herbst, wenn nach der Ernte in der Scheune das Getreide gedroschen wurde, mußte die letzte Garbe, die dem Kobold gehörte, in einer Ecke liegen bleiben. Erst im nächsten Jahr durfte sie dann ausgedroschen werden, und eine neue blieb dafür liegen.

Quelle: Sagensammlung: G.Hänsel Mündlich K.Piepenburg

Potzlow

Der gestohlene Roland von Potzlow (am Ückersee)

Potzlow war ehemals eine Stadt, hatte einen Marktplatz und auf diesem einen schönen steinernen Roland. Die Prenzlauer beneideten Potzlow um diesen schönen Roland, und die Potzlower wußten es. Sie bewachten deshalb ihren Roland mit Argusaugen.

In einer rabenschwarzen Nacht erschienen jedoch die Bürger von Prenzlau mit einem Wagen, dessen Räder ganz mit Stroh umwickelt waren. Die Leute von Potzlow merkten den kecken Diebstahl zu spät. Sie eilten zwar den nächtlichen Dieben nach, aber es war vergeblich. Soviel man auch forschte, man konnte von dem gestohlenen Roland nichts entdecken. Endlich stellte man einen hölzernen Roland auf, der noch heute in Potzlow steht. Unter den Leuten entstand das Gerede, die Prenzlauer hätten den gestohlenen Roland vergraben. Als man nach 1871 auf dem Marktplatz in Prenzlau ein Kriegerdenkmal errichten wollte, fand man in der Erde die Überreste eines steinernen Rolands. Vielleicht hat die Sage vom gestohlenen Roland in Potzlow wirklich ihre Bestätigung gefunden.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

Prenzlau

Geschichten aus der Badestube

Eine alte Badestube soll sich in Prenzlau, in der Nähe des Kuhtores am Mittelgraben, befunden haben. Sie wurde jahrelang von einem jungen Mann besucht, der auch für die alte Muhme, von der man sich viel merkwürdiges erzählte, ein Auge hatte. Der Alten, die ihren Platz in der Ofenecke hatte, schenkte er ab und zu etwas. War es einmal ein mürber Apfel oder ein "Salzkötter", er hatte oft für sie eine Aufmerksamkeit. Als Dank dafür schenkte sie ihm dafür eines Tages drei Erbsen. Er solle sie nur gut aufheben. Wenn er in große Not käme, solle er nur eine auf die Erde werfen, dann würde ihm geholfen werden. Es verstrich eine ganze Zeit, und er dachte gar nicht mehr an die Wundererbsen. Eines Tages, er war gerade bei der Feldarbeit, da bekam er schrecklichen Durst. Da fielen ihm die Erbsen ein. Er warf eine zu Boden und schon stand ein Krug mit kühlen Wasser vor ihm auf dem Boden. Ein anderes Mal traf er ein weinendes kleines Mädchen an. Ihm war der Kranz für das Grab ihrer Mutter vertrocknet. Er warf die zweite Erbse zu Boden, und schon waren die Blumen wieder frisch und die Tränen des Mädchens getrocknet. Etwas später wurde seine Nachbarin krank. Ohne Bedenken opferte er auch die dritte Wundererbse, um der Kranken zu helfen. Als er wieder zum Bad ging, traf er die Alte wieder. Ganz leise sagte sie zu ihm, er habe ja nur die Erbsen dafür gebraucht, anderen zu helfen. Nun aber wolle sie ihm eine Schuppe von einem Karpfen geben, die ihm einen Wunsch erfüllen würde. Im Herbst ging er in den Wald, um Holz zu holen. Da begegnete er einer alten Frau, die sich mit einem großen Holzbündel abquälte. Die Hölzer waren aber so schwer wie Blei. Da erinnerte er sich aber an die Schuppe und er warf sie zu Boden. Er wünschte sich die Alte als junges Mädchen und daß Holz zu Gold werden würde. Sofort stand ein bildschönes Mädchen vor ihm mit einem Korb voller Goldstücke. Sie sagte, daß sie von einer bösen Hexe verzaubert worden sei, aber nun endlich durch seine fortwährende Hilfsbereitschaft erlöst worden wäre.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Die blutrote Rose

Fährt man aus Prenzlau in Richtung Osten, nach Bietikow, so kommt man an der Georgshospitalkirche vorbei. Links davon, auf einem kleinen Hügel, stand seit alters her eine große Eiche. An diese Eiche wurden Verbrecher aufgehängt. Um die Eiche herum wurden auf diesem Richtplatz dann auch die Übeltäter verscharrt.

Ein riesiger Rosenbusch, der dort wuchs, trieb jedes Jahr im Juni wundervolle Blüten. Er war eine richtige Sehenswürdigkeit geworden. Jeder, der kam, hatte eine richtige Scheu vor ihm. Und damit hatte es folgende Bewandtnis: In der Kammstraße im nahen Prenzlau wohnten zwei Familien, von denen die eine nur einen Sohn, die andere nur eine Tochter hatten. Die Kinder waren zusammen aufgewachsen, hatten sich sehr gern und wollten heiraten. Der Vater des Mädchen hatte mit ihr jedoch andere Pläne. Sie sollte nicht den Sohn des armen Kammachers heiraten, sondern den Sohn eines reichen Goldschmiedes. Je näher aber die Hochzeit kam, um so größer wurde die Liebe der beiden zueinander. Kurz vor der Hochzeit verließen beide ihre Elternhäuser und wanderten weg von Prenzlau. Aber so sehr sie sich mühten, um sich gemeinsam zu ernähren, ihr Leben stand unter keinem guten Stern. Ihr Mann verließ sie, um woanders sein Glück zu versuchen. Sie ernährte sich kümmerlich vom Besenbinden und wartete sehnsüchtig auf seine Rückkehr. Sie zog wieder nach Prenzlau, und wie groß war ihr Erschrecken, als man eines Tages einen Mörder in die Stadt brachte: Es war ihr geliebter Mann. Man führte ihn zum Galgenberg; es half der Frau nichts, man ließ sie nicht mehr zu ihm. Erst als das Urteil vollstreckt war, und man den Toten vom Galgen abgenommen hatte, konnte sie zu ihm gehen. Sie warf sich über ihn und drückte einen Kuß auf seine Lippen. Als man die beiden trennen wollte, merkte man, das auch sie tot war. Nun begrub man beide am Galgenhügel. Aus ihrem gemeinsamen Grab wuchs nun der Rosenstrauch, der in jedem Jahr blutrote Rosen der Liebe über den Tod hinaus trug.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag,

De oll Bullerbeck

Mehrere Sagen wurden über die Prenzlauer "Kammstraße" erzählt. Die Straße, eine Querverbindung zwischen der Steinstraße und dem südlichen Teil der Baustraße, nordöstlich der alten Nikolaikirche, soll der Sitz der Prenzlauer Kammacher gewesen sein. Sie wohnten hier still und bescheiden und stellten fleißig die so oft benötigten Kämme her. Tatsächlich fand man Anfang der achtziger Jahre unseres Jahrhunderts am Ostrand der Altstadt von Prenzlau, in der Nähe der Lindenschule, ein Gelände, in dem im 11. und 12. Jahrhundert Kämme hergestellt wurden. Ein älterer Mann namens Bullerbeck wohnte gleich am Eingang der Kammstraße. Es war das schönste Haus in der ganzen Straße. Bullerbeck war zugewandert und ein großer, starker Kerl, dem keine Arbeit zuviel wurde. Er war auch niemals krank. Tag und Nacht konnte er seiner Arbeit nachgehen, und es war eine Lust zu sehen, wie er aus dem Horn die Kämme "zuschickte", "külpte", "gründete" und glattschliff. Ermahnte man ihn vor der übermäßigen Arbeit, so antwortete er, er hätte keine Zeit an Krankheit und Tod zu denken.

So ging es Jahr für Jahr. Als er nun eines Tages an einem besonders schönen Kamm arbeitete, hörte er im Holz seiner Werkstatt die Totenuhr ticken. Er bekam einen so großen Schreck, daß er sogleich ein Kuhhorn nach der Stelle warf, woher er das Ticken hörte, und er rief: "Deibel (Teufel), halt die Uhr an!" Kaum hatte er das ausgesprochen, da stand auch schon der Böse persönlich neben ihm. Er wolle ihm seinen Wunsch erfüllen, meinte er. Nur müsse es ihm der Meister schriftlich geben. Das tat er auch; er schrieb dem Bösen auf, er hätte dafür zu sorgen, daß niemals wieder in seiner Gegenwart eine Totenuhr ticken sollte. Totenstill blieb es nun in seiner Werkstatt. Die Jahre kamen und gingen. Die Kinder des Meisters wurden älter und starben schließlich, auch all seine Freunde wurden begraben, nur er blieb am Leben. Als er immer gebrechlicher wurde, da kam aber auch bei ihm der Wunsch, nun endlich die Totenuhr ticken zu hören, damit er sterben könne. Aber vergebens. Eines Tages schlich er sich zur Margarethenkapelle an der Südseite der Marienkirche. Und endlich, hier hörte er die Totenuhr ticken. Hier hatte der Böse die Macht über ihn verloren. Am nächsten Morgen fand man ihn auf dem Boden der Kapelle liegen. Als man ihn wegtragen wollte, zerfiel er zu Staub, so alt war er!

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag,

Der goldene Harnisch und die Georgskapelle

Vor mehreren hundert Jahren standen noch an der Georgskapelle verschiedene Wirtschaftsgebäude, die zu dem Hospitalkomplex gehörten. Sie dienten den damaligen Reisenden zur Unterkunft und Pflege der Erkrankten. Eine weite Reise war damals überhaupt kein Vergnügen. So hieß es auch, wenn man eine Reise machte, "in den Krieg zu ziehen." Für die dienenden Brüder der Mönche aus Prenzlau, die das Georgshospital betreuten, wurden die Anforderungen immer größer. Daher beschloß man für die Verwaltung einen "Provisor" zu wählen. Dieser aber war ein schlechter Mensch. Er hatte nämlich am Galgen, der gegenüber von der Kapelle stand, einen Teufelspakt geschlossen, der beinhaltete, daß er bei der Verwaltung der Stiftungen und Wirtschaft fünfzig Jahre tun und lassen konnte, was er wollte.

Als wieder einmal der Teufel den Verwalter nach seinem neuesten Begierden fragte, erfuhr er, daß in der Kapelle eine Statue des heiligen Georg mit einem goldenen Harnisch stand, und gerade diesen Harnisch wollte der Provisor haben. Erst wollte der Teufel nicht so recht an das Unternehmen heran, dann sagte er seine Hilfe zu. Bei hellem Mondschein schlichen sich beide in die Kapelle und mußten zu ihrem Schrecken feststellen, daß der hellschimmernde Georg seinen Spieß genau auf die Eindringlinge gerichtet hatte. Vor Angst flüchteten sie, dabei stolperte der Mönch über den Pferdehuf des Teufels und stürzte. Am Morgen fanden ihn die anderen Brüder mit zerschlagenem Schädel vor der Kapellentür. Sie begruben ihn auf dem kleinen Friedhof bei den Liegehallen für die Kranken des Hospitals. In der nächsten Nacht aber kam der Böse wieder, um sein Opfer zu holen. Beim Suchen nach dem Toten und dem Wühlen in der Erde zertrat er alles mit seinen glühenden Füßen - und die Gebäude gingen in Flammen auf. Die Mönche aber, die alles mit Entsetzen ansehen mußten, flohen voller Furcht nach Prenzlau zu ihrem Kloster. Geblieben ist nur die kleine Kapelle, denn in ihr hält St. Georg Wache.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Die Hände von Prenzlau

Der erste Hohenzoller in der Mark, Kurfürst Friedrich 1., hatte in seinem Lande harte und schwere Kämpfe auszufechten. Aber mit fester Hand ging er gegen das Raubrittertum vor, und er hatte manchen Strauß mit den Städten zu bestehen, die in der langen Zeit der Herrenlosigkeit in der Mark gegen Fürsten und Adlige mißtrauisch geworden waren und gelernt hatten, sich auf ihre eigene Kraft zu verlassen. Die Städte, die an den Grenzen der Mark lagen, mochten es nicht gern mit den Fürsten der Nachbarschaft verderben, da diese ihnen, wie sie mehrfach erfahren hatten, eher beistanden als die eigenen Landesherren. In dem Kriege nun, den Friedrich gegen die Pommernherzöge führen mußte, hatte die Stadt Prenzlau, die dem Kurfürsten den Eid der Treue geschworen hatte, zwar den Feinden die Tore verschlossen.

Aber die Bürgermeister Klaus Belz und Zabel Grieben hatten Verrat geübt. Sie hatten einen der pommerschen Hauptleute verkleidet in die Stadt hereingelassen, um mit ihm zu verhandeln. Es war ein gewisser Klaus Koppen, ein Kriegsknecht und Hauptmann der pommerschen Herzöge gewesen, der 1425 im Februar die Stadt Prenzlau den beiden Fürsten von Stettin, Kasimir und Otto, in die Hände gespielt hatte. Er hatte sich von Rats, der mit den niederen Bürgern in Zwist lebte, zum Torwächter auf dem Blindower Torturme bestellen lassen. Er hatte dann einst in dunkler Februarnacht an diesem Torturme eine Leuchte ausgesteckt, die ein Zeichen war, daß die Pforte dem pommerschen Fürsten offenstände. So waren die Pommern in die Stadt eingedrungen. Herzog Otto rief den Bürgern bei der Huldigung zu: "Hättet ihr euch als biedere Männer gezeigt und nicht als feige Memmen, so hätte ich eure Stadt nimmer gewinnen können". Daher sagte man später, wenn ein Bürger gar finster dreinschaute: "Er sieht aus, als wenn er Prenzlau verraten hätte". Da der Kurfürst nicht im Lande war, so mußte sein ältester Sohn, der Statthalter Markgraf Johann, 1426 mit einem Heere aufbrechen, um Prenzlau zu befreien.

Bei seinem Nahen setzte sich die brandenburgische Partei in Prenzlau mit ihm in Verbindung. Ein ihm treu ergebener Bürger, Rodinger, der Befehlshaber der Stadtknechte, war zur Stelle. Er führte die Märker durch Sumpf und Wiesen, und trug auf seinen starken Schultern den Markgrafen durch die Ucker, in der Dunkelheit der Nacht durch eine ausgestreckte Leuchte geleitet. Dicht vor dem Ufer drohte aber Rodinger unter der Last den geharnischten Ritters zu erliegen. Da feuerte ihn Prinz Johann mit den Worten an: "Steht fest, mein Mann, du trägst Brandenburg auf deinem Rücken!" Der Überfall gelang. Die Schlachtrufe: "Brandenburg!" "Stettin"! erklangen durch die fackelbeleuchteten Straßen. Die Pommern wehrten sich mutig, mußten aber endlich weichen. Klaus Koppen hielt mit äußerster Tapferkeit das Blindower Tor noch einige Tage lang. Als man ihm vor seinem Turme aber Stroh und grünes Holz anzündete und ihn ausräucherte, ergab er sich und erhielt ehrenvollen Abzug. Die Streitigkeiten zwischen dem Rat und den Bürgern wurde geschlichtet. Den beiden verräterischen Bürgermeistern wurde die rechte Hand, mit der sie dem Kurfürsten Treue geschworen hatten, abgehauen; dann wurden sie enthauptet. Die beiden Hände aber hat man lange Zeit zum Andenken an jene Tat im Rathause zu Prenzlau aufbewahrt.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberswalde, Prenzlau 1922

Der Rabe auf dem Prenzlauer Mitteltorturm

Neben der Marienkirche besitzt Prenzlau ein zweites Wahrzeichen: den Mitteltorturm. Auf der Spitze des Turms breitet ein Rabe seine Flügel aus. Wie der Vogel hierher kommt, berichtet eine Sage. Als der Slawenfürst Primislaw, dem Prenzlau seinen Namen verdanken soll, über die Stadt und seine Umgebung herrschte, begab es sich, dass diesem ein wertvoller goldener Siegelring abhanden kam. Schnell glaubte man, in einem Knappen den Schuldigen gefunden zu haben, war man doch der Überzeugung, das gute Stück sei gestohlen worden. Zur Strafe führte man den Mann auf den Mitteltorturm hinauf und stieß ihn hinab. Jahre später zog Primislaw mit einigen Helfern in den Wald zum Jagen. Als sie sich zu einer mittäglichen Rast niederließen, wurde ganz in der Nähe eine alte Eiche gefällt. In den Wipfeln dieses Baumes stieß man auf ein Krähennest, das zur Verwunderung aller und zum Entzücken des Fürsten den gestohlen geglaubten Siegelring beherbergte. Zurück in Prenzlau, ließ Primislaw einen Raben anfertigen und diesen anschließend auf der Spitze des Mitteltorturms anbringen. Es ist zwar inzwischen nicht mehr derselbe Vogel, aber auch der heutige Rabe erinnert noch an Primislaw, den Raben und natürlich den armen zu Tode gestürzten Knappen.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberswalde, Prenzlau 1922

"Lütt Heinrich"

Ein geheimnisvoller Gang, der zwischen dem alten Rathaus von Prenzlau und der Marienkirche bestanden haben soll, beschäftigte schon immer die Phantasie und - teilweise auch noch in unserer Zeit - die Gemüter. Dort soll sogar den Benutzern des Ganges, Heinrichs das Kind, der als Domgeist in dem Gewölbe unter der Marienkirche hauste, erschienen sein. Als nämlich ein Mann, der in der Nähe der Marienkirche ein gar zu armseliges Haus bewohnte, einen Auftrag zu erledigen hatte, und mit einem Lichtlein durch den Gang lief, da stand plötzlich der "lütt Heinrich" vor ihm und rief ihm zu: "Zünde dein Haus an und siehe!". Sehr verwundert geht der arme Mann weiter. Niedergeschlagen führt er seinen Auftrag aus und geht nach Hause. Verzweifelt denkt er an Frau und Kind, zündet aber dennoch sein altes und halb zerfallenes Haus an. Seine Frau und sein Kind fliehen. Doch er sieht gelassen in die Flammen, ungeachtet der Vorwürfe seiner Nachbarn. Und siehe da, aus den zerberstenden alten Mauern fällt ein Kasten. Der überraschte Mann öffnet ihn und findet darinnen eine große Anzahl von Goldmünzen. Schnell löscht er die Flammen und läßt die verkohlten Baureste abbrechen. Mit dem Gold baut er sich ein neues und schöneres Haus und lebt darinnen mit seiner Familie bis an sein Lebensende zufrieden und glücklich.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

R

Ringenwalde

Der Ringenwalder Kirchturm

Rechts hinter dem Ringenwalder Schloßpark stehen drei starke Eichen. Auf dem Platz zwischen diesen Eichen liegt ein großer Findling, der über zwei Meter aus dem Erdboden ragt und einen Umfang von fast elf Metern aufweist. Auf der einen Seite dieses gewaltigen Steines sind deutlich die Eindrücke von einer Hand zu sehen. Dieser Findling hat nicht immer an dieser Stelle gelegen, sondern vorzeiten, als Ringenwalde noch keine Kirche hatte, lag er auf der entgegengesetzten Seite des Dorfes. Als Ringenwalde nun aber ein Gotteshaus baute, hat das den Teufel so geärgert, daß er voller Wut den riesigen Stein nahm und damit die Kirche in Trümmer schleudern wollte. Des Teufels Wut war aber so groß, daß es kein wohlgezielter Wurf wurde, sondern daß der Stein über das ganze Dorf hinwegsauste und auf seiner Bahn nur den Turm der Kirche wegrasierte. Von der zupackenden Teufelsklaue rühren die merkwürdigen Eindrücke am Findling her. Der Ringenwalder Kirche aber erhielt erst 1890 ihren jetzigen Turm.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

Wilks Tod

Zwischen dem Libbesickesee und dem Lübbelowsee im Ringenwalder Forst heißt eine Stelle Wilks Tod. Der Name soll von folgender Begebenheit kommen: Einst führte ein Bauer seine Kuh von Petersdorf nach Ringenwalde. Unterwegs wurde die Kuh plötzlich rasend, der Bauer hatte seine liebe Not, sie zu halten. Da entglitt ihm der Leitstrick und schon wandte sich das wildgewordene Rind gegen ihn, schob ihn vor sich her und preßte ihn an einem Kiefernstamm zu Tode. Die Kuh konnte auch nicht sobald eingefangen werden, sie verwilderte vollständig. Endlich lief sie einem Heidewärter in den Weg, der sie erschoß.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

Rittgarten

Die Taufe von Rittgarten

Mitten in der kleinen Fachwerkkirche von Rittgarten - die heute leider nicht mehr steht, da sie wegen Baufälligkeit abgetragen werden mußte - lag ein walzenförmiger Stein, der Taufstein. Über diesen Stein wurde folgende Geschichte erzählt.

Etwas abseits von Rittgarten, in einem kleinem alten Haus, am Wege nach Kraatz lebte eine sehr alte Frau. Bei ihr wohnte ein wunderschönes Mädchen, angeblich ihr Urenkelkind. Das stimmte aber nicht, denn die Alte war eine Hexe und das Mädchen eines von den vielen Wiesenhüpfern oder Irrlichtern, die um die alte Kirchruine bei Wittstock herumgeistern - durch ihre Künste wieder zu einem Menschen gemacht, damit die Alte einen Dienstboten hätte. In dieses Mädchen verliebte sich ein junger Gelehrter, der bei dem Herrn von Holtzendorf zu Rittgarten Erzieher war. Vergeblich war aber all seine Liebesmüh um das junge Mädchen. Sie antwortete nicht, denn sie war eine arme, ungetaufte Seele und befand sich im bösen Bann der alten Zauberin. Eines Tages hörte der Gelehrte von einem umherziehenden Bettelmann, daß man solche ungetauft verstorbenen Menschen erlösen könne, wenn man den Taufstein fände, über dem sie eigentlich getauft werden sollten. Nun gab es ein eifriges Überlegen und Forschen. Endlich wurde es dem Gelehrten klar, daß die Hexe nur eine Seele aus dem längst wüst gewordenen Dorf, welches zur Kirchenruine bei Wittstock gehört hatte, eingefangen haben könne.

Er grub dort in der Kirchenruine nach und fand nach vielen Mühen auch den Taufstein. Dazu fehlte ihm aber eine heile Kirche; denn die, in der er gegraben hatte, war ja eine Ruine und leer. Mit viel Geduld, Fleiß und Kraft brachte er es fertig, in dem Nachbarort von Wittstock, Rittgarten, eine kleine Kirche – die ehemalige Fachwerkkirche – zu bauen. Schmuck stand nun das neue Gotteshaus da – und in seinem Mittelpunkt der alte Taufstein. Zum Ärger der Hexe wurde nun das junge Mädchen getauft und damit erlöst. Martin Lehmann hieß der Erbauer, wurde dann mit dem Mädchen getraut und war der erste Pastor in Rittgarten. Zur Erinnerung hat er seinen Namen in den Balken der Kirche eingeschrieben. Tatsache ist, daß sich auf der Grenze der Feldmark zwischen Wittstock und Rittgarten die Ruine einer stattlichen Feldsteinkirche befindet, die im 13. Jahrhundert erbaut wurde. Sie ist etwas größer wie die in den umliegenden Orten sich befindenden Dorfkirchen. Ein Keller eines zu dem Dorf gehörenden Bauernhauses wurde in unseren Tagen ausgegraben. Sicher gehört ein Friedhof zur Kirche, Teile der alten Kirchhofmauer sind heute noch zu erkennen. Spielende Kinder oder Raubgräber und Schatzsucher sollen beim Nachgraben im Kirchenschiff das Skelett eines hünenhaft großen Menschen mit einer eisernen Axt gefunden haben.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Röpersdorf

Die Äbtissin aus dem Sabinenkloster

Die Bauern von Röpersdorf hatten früher allerlei Verpflichtungen gegenüber dem Prenzlauer Sabinenkloster. Deshalb hatten sie sich auch häufig des Besuchs der Äbtissin zu erfreuen. Diese ließ sich in der Regel in einem Fischerkahn über den Uckersee setzen. Als die Äbtissin eines Tages wiederum Röpersdorf aufsuchen wollte, um einen Besuch bei einem Kranken abzustatten, gelang es dem Fischer nicht, den Kahn an das Ufer zu bringen, da es zu dichten Rohrwuchs hatte. Das vergebliche Mühen des Fischers bemerkte der Bauer Dinneis, der in seinem Garten, gegenüber von der Kirche beschäftigt war. Als dieser die Äbtissin in dem Kahn erkannte, watete er durch das Rohr und erbot sich, die fromme Frau auf dem Rücken an das Land zu tragen. Diese ging auch auf sein Anerbieten ein, und nachdem sie ihren Krankenbesuch abgestattet hatte und ans Ufer zurückgekehrt war, stand Dinneis wiederum bereit und trug sie in derselben Weise in den Kahn zurück. Als die Äbtissin Platz genommen, legte sie ihre Hände segnend auf das Haupt des Bauern und sprach: Du hast mir einen schönen Dienst getan, Gott wird dir´s vergelten. Solltest du einmal in großer Not sein, so sprich die Worte: Ach, daß mir Hilfe käme! und du wirst Errettung finden. Ich warne dich aber, mit diesen Worten Mißbrauch zu treiben. Hiermit verabschiedete sie sich und trat die Rückfahrt nach Prenzlau an.

Die Äbtissin war bereits eine hochbetagte Frau, und nicht gar lange Zeit nach diesem Ereignis starb sie. Dinneis lebte längere Zeit in Glück und Frieden. Da geschah es in einer Nacht, daß seine Frau erkrankte. Dinneis saß sorgenvoll an dem Bette der Leidenden. In dieser Not erinnerte er sich daran, was ihm einst die Äbtissin verhießen hatte, und unwillkürlich kamen die Worte über seine Lippen: Ach, daß mir Hilfe käme. Kaum hatte er so gesprochen, da öffnete sich die Tür, und herein trat eine Frauengestalt, in der er sofort die fromme Klosterfrau erkannte. Mit den Worten: Friede sei mit euch, trat sei näher, berührte das Angesicht der leidenden Mutter, und diese gebar glücklich ein gesundes Knäblein. Das wurde von der frommen Frau geschmückt, gekleidet und an das Herz der Mutter gelegt. Darauf wurden Mutter und Kind gesegnet, und die Klosterfrau war verschwunden. Dinneis sollte aber noch öfter die Hilfe seiner seligen Beschützerin erfahren. Zwar war er in Haus, Hof und Feld gesegnet und zu Wohlstand gekommen, aber nach Jahren geschah es, daß an einem heißen Sommertage von Westen her ein Gewitter heraufzog, ein Gewitter, das sich vom Uckersee nicht nach Norden oder Süden abweisen ließ, sondern direkt über den See nach Osten zog. Gewaltig entluden sich die Blitze über Röpersdorf und einer von ihnen zündete in dem Gehöft des Bauern. Dieser hatte sich und den Seinen zwar das Leben gerettet, aber in wenigen Stunden war sein Wohlstand zu Asche geworden. In einem Nachbarhause fand der Obdachlose vorläufiges Unterkommen.

Hier geschah es in einer Nacht, daß er keinen Schlaf finden konnte, sein Herz war von Sorgen erfüllt. Unwillkürlich falteten sich seine Hände, und er sprach die Worte: "Ach, daß mir Hilfe käme!" Sobald er dies gesprochen, erschien im Zimmer die alte Freundin mit einer Fackel in der Hand und sprach: Dinneis, verlaß dein Lager und folge meinen Schritten. Der Bauer wurde über die Dorfstraße zum Kirchhof und von dort durch die Kirche in die Sakristei geführt. Hier löste die Äbtissin einen Stein aus der Wand und sprach: Nun greif zu und nimm, soviel du nötig hast! Dinneis griff zu ein-, zwei und dreimal; es waren lauter geprägte Gold- und Silberstücke, welche er hier fand. Darauf wurde er wieder durch die Kirche auf den Kirchhof geführt, und seine Begleiterin war plötzlich verschwunden. Fröhlichen Herzens suchte er sein Lager auf, und noch in demselben Jahre gründete er wieder einen eigenen Herd. In Kraft und Gesundheit erreichte Dinneis ein hohes Alter, so daß er als Greis noch an den schwierigsten Erntearbeiten teilnehmen konnte. Einst aber befand er sich auf einem beladenen Erntewagen, sein Fuß trat fehl, er fiel auf den harten Scheunenflur und brach ein Bein. Auf dem langen Krankenlager fühlte Dinneis, daß in seinem Alter eine Heilung des Bruches nimmer möglich sei. In diesem Zustande, als seine Kräfte abgenommen, und er den letzten Kampf herannahen fühlte, sprach er: Ach, daß mir Hilfe käme. Sofort erschien ihm die Äbtissin und fragte nach seinem Begehr. Dinneis antwortete: Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein. Darauf trocknete sie ihm den Schweiß von der Stirn und sprach: Dir geschehe, wie du willst! und nachdem Dinneis von den Seinen Abschied genommen hatte, starb er eines sanften und seligen Todes.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberswalde, Prenzlau 1922

Der Puppenspieler

Es war einmal ein Puppenspieler, der reiste überall umher und machte allerlei Kunststücke. Einstmals zur Sommerzeit war er in Röpersdorf, und als das Spiel zu Ende war, bat er seine Gäste, aus der Gasthofstube auf die Straße hinauszukommen. Hier wollte er noch ein ganz besonderes Kunststück zeigen. Er griff nun einen Hahn auf, der grad über den Weg stolzierte, und band ihn an einen Sägebock fest, der vor dem Dorfkruge stand. Der Hahn will aufflattern, kann aber nicht loskommen, weil er fest an den Balken angebunden ist. Wie er aber immer mehr Gewalt brauchte, zog er plötzlich mit dem ganzen Sägebock ab. Die Leute allesamt staunten und lachten und juchzten hinter dem Hahn her. Dadurch wurde dieser scheu und zog immer schneller mit seinem Balken davon. Nun kam da gerade ein Mädchen ins Dorf hinein, das hatte eine Fracht Klee auf dem Rücken: "Leute," sagte das Mädchen, "was habt ihr euch da so gefährlich? Was ist da los?" - "Mädchen," sagten die Leute, "siehst du nicht, daß der Hahn sich da mit einem großen Sägebock umherschleppt?" - "Wo denn?" fragte das Mädchen. - "Nun, dort!" kriegte sie zur Antwort. - "Meint ihr da den Hahn, der sich immer mit dem Strohhalm schleppt?" sagt sie dagegen. So streiten sich die Leute mit dem Mädchen herum; sie sagt "Strohhalm", und die sagen "Sägebock". Ihre Augen waren verblendet und die Augen des Mädchens nicht. Woher kam es aber, daß ihre Augen richtig sahen? Das macht: sie hatte in ihrer Last Klee ein vierblätteriges Kleeblatt. Als der Puppenspieler gewahr wurde, daß das Mädchen mit der Fracht Klee die anderen Leute aufklärte, zauberte er ihr geschwind ein großes Schloß an den Mund, daß sie nicht ein Wort mehr reden konnte. Den ganzen Nachmittag mußte sie nun mit ihrem Schloß zum Spott der Leute umherlaufen. Als endlich alle Leute nach Hause gingen, nahm der Puppenspieler einen Schlüssel und machte ihr das Schloß am Munde wieder auf.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberswalde, Prenzlau 1922

Der Stein des Erschlagenen

Nahe beim Turm der Röpersdorfer Kirche liegt in der Erde ein großer Findlingsblock. Hier erschlug einst ein Bauer einen Priester.

Als der Bauer eines Tages abends vom Felde kam und sein Haus betrat, fand er in der Stube einen Priester, der sein Weib tröstete. Darob ergrimmte der gottlose Bauer; er zerrte den Priester an den Haaren hinaus, schleppte ihn nach dem Kirchhof und erschlug ihn dort auf dem großen Stein. Seit jenem Tage hat der Stein die merkwürdigen Eindrücke auf seiner Oberfläche.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Rollwitz

Der Schäfer auf dem Töppelberg

Rechts neben der alten Chaussee nach Pasewalk, unübersehbar befindet sich ein Hügel mit wenigen vom Wind zerfurchten Kiefern. Es ist der "Töppel- oder Täppelberg".

Hier hatte einmal am Abhang der alte Schäfer aus Rollwitz seine Schafe gehütet, ganz still war es, nur die Fliegen summten in der Mittagshitze. Stricken mochte der Alte in der Hitze nicht mehr, und so vertrieb er sich die Zeit mit Flötenspiel. Er spielte noch nicht lange, da standen plötzlich drei wunderschöne Mädchen vor ihm und baten, er solle doch für sie zum Tanz aufspielen. Der Alte war nicht ungefällig und erfüllte ihren Wunsch. Um sich dankbar zu erweisen, wollten die Mädchen dem Schäfer etwas schenken. Die erste hielt ihm einen Beutel mit Geld hin; doch der Schäfer wollte ihn nicht annehmen. Die zweite hielt ihm einen gefüllten Essenkaliet (Spankorbbehälter) hin. Aber auch dieses Geschenk nahm er nicht an . Er sagte, er hätte gern zum Tanz aufgespielt und beanspruche dafür keinen Lohn. Da hielt ihm die dritte einen Blumenstrauß hin; den könnte er ja annehmen. Aber auch der wurde abgelehnt, so sehr die Jungfer ihm auch zuredete. Schließlich dachte er, die Blumen kannst du doch annehmen. Wie er gerade die Hand nach dem Sträußchen ausstrecken wollte, da wehten aus Rollwitz die letzten Klänge der Abendglocke von der Kirche herüber. Und verschwunden waren alle drei Mädchen. Nur klagende Stimmen vernahm er noch, die da sagten: " Ach hättest du doch wenigstens die Blumen genommen, dann wären wir erlöst"! Noch oft hat der alte Schäfer an derselben Stelle gesessen, aber niemals ist ihm wieder die Gelegenheit geboten worden, die armen Seelen der drei Jungfrauen zu erlösen.

Der Töppelberg - auch Tempelberg genannt - ist ein Hügelgrab aus der Bronzezeit.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

S

Schlepkow

Die Hand

Manu tantum modo mortua praesente, - allein die Hand des Erschlagenen offenbart es! An diese abergläubische Vorstellung, daß die Hand eines Ermordeten über den Tod hinaus die Eigenschaft besitzt, auf ihren Mörder zu weisen, knüpft sich eine Begebenheit, die aus Schlepkow überliefert ist. Katharina Block hat die nachfolgende Mordtat in einer mehrseitigen Novelle verarbeitet und überlieferte Tatsachen zu einer schaurig-schönen Legende poetisch ausgeformt (Vgl. Heimatkalender Prenzlau, 1929, S. 143-150). Die Episode aus dem Jahre 1549 wird hier in geraffter Form dargeboten.

Der edle und ehrbare, feste und gestrenge Herr Henning von Blankenburg zu Wolfshagen hatte an einem Tage im Herbst des Jahres 1549 eine Jagd anbefohlen. Alle Treiber aus seinen Dörfern wurden bestellt, so auch aus Schlepkow die Bauernburschen Adam Nilius und Joachim Berndt, Freunde von Kind auf. Doch der Jagdtag war so trüb und regnerisch, daß man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Die jungen Burschen folgten trotzdem gern dem Gebot ihres Herrn, war für sie eine Treibjagd doch eine willkommene Abwechslung in ihrem sonst so eintönigen Arbeitsalltag. Als die beiden Treiber nach einigen Tagen nicht nach Schlepkow zurückkehrten, glaubte man im Dorf, der Herr von Blankenburg habe die Jagd verschoben und die Treiber in Wolfshagen behalten. Aber die Zeiten waren unruhig und man mußte auf Überfälle durch Raubritter oder Wegelagerer gefaßt sein. Schlepkower Bauern zogen just in diesen Tagen gen Fürstenwerder zu Markte. In der Nähe des Jagenbruchs fanden sie die Leiche des erwürgten Adam. Nach der zerfetzten Kleidung des Bauernburschen zu urteilen, mußte ein harter Kampf stattgefunden haben. Am Rande des Jagenbruchs entdeckte man auch die Jacke des Joachim Berndt, und eine braune Kappe, von der man nicht wußte, wer von beiden sie getragen hatte. Die Bauern zogen nicht mehr gen Fürstenwerder; sie hielten auf der Stelle. Einer ging nach Hildebrandshagen am Dammsee, der andere nach Damerow, der dritte nach Schlepkow zurück, und noch einer nach Wolfshagen, die Dorfschulzen und den Ritter von Blankenburg zum Tatort zu holen. Die Dorfschulzen von Damerow, Schlepkow und Hildebrandshagen erschienen denn auch alsbald und nach geraumer Zeit Herr Henning in Begleitung einiger Männer und eines Schreibers. Eine genaue Untersuchung wurde veranstaltet und der Mord an den beiden ehrlichen Bauernburschen zu Protokoll gebracht.

Da die Mörder vorläufig nicht bekannt waren, beschloß man, nach altem Brauch der aufgefundenen Leiche die rechte Hand abzuschlagen, damit sie gegen die Mörder zeuge, bis diese gestellt und gerichtet werden könnten nach dem uralten Gesetz. "Manu tantum modo mortua praesente - aber des Erschlagenen Hand muß zur Stelle sein." Der Ritter ließ nachforschen. Man fand heraus, daß Adam am Sankt Niklas Tag die schöne Annamagret Hildebrand vom Mühlenhof habe ehelichen wollen. Der Adam Nilius hatte auf dem Hof seines alten Vaters gearbeitet, hätte keine Feinde gehabt und wäre nie streitsüchtig gewesen. Sein Freund, der Joachim Berndt, sei stolzer Besitzer von vier Hufen Land gewesen, haben einen guten Hof und weiter keine Verwandten oder Erben, zumal sein älterer Bruder Matthias schon vor Jahren ausgewandert sei. So wäre also der Bauernhof des Berndt ohne Erben, erkundigte sich der Ritter Henning noch einmal beim Dorfschulzen. Als ihm das der Dorfschulze bestätigen mußte, sah sich der Wolfshägener im Geiste schon als rechtmäßiger Erbe der vier Hufen. Der Schulze von Schlepkow sollte es übernehmen, der Braut und dem alten Nilius die traurige Botschaft zu überbringen. Der alte Vater lief ihm bereits klagend entgegen, er hatte schon von der Ermordung seines Sohnes gehört. Zur Annamagret getraute sich der Dorfschulze nicht, sie war wegen ihres leidenschaftlichen Wesens bekannt. So bat er den Prediger, die Nachricht schonend zu übermitteln. Der verließ sogleich sein ärmliches Haus und eilte zum Mühlenhof am Ende des Dorfes.

Das entsetzte Mädchen war wie versteinert in seinem Schmerz. Sie wisse wohl, wer ihren Liebsten umgebracht habe, rief Annamagret aus, sie werde laut klagen und das Gericht zu Strasburg oder Prenzlau solange bestürmen, bis daß der Ruchlose gefunden und gehenkt würde. Kein anderer habe ihren Adam erschlagen als der Joachim Berndt, sie wisse auch warum. Man solle nicht in Wasserlöchern und Sümpfen nach seiner Leiche suchen, sondern lieber in den Städten nach dem Flüchtigen fahnden. Nach einigen Monaten wurden Diebe und Räuber gefaßt, denen man auch die Mordtat im Jagenbruch nachsagte. Obwohl sie ihre Unschuld beteuerten, wurden sie in Strasburg gehenkt. Als man darauf die Hand aus der Schlepkower Kirche entfernen wollte, weigerte sich Annamagret energisch. Die in Strasburg Gehenkten hätten keinen Mord an ihrem Adam gestanden, sie seien nicht die Mörder ihres Bräutigams gewesen. Die Hand bleibe in der Kirchenlade als drohendes Mal und einziger Zeuge der unaufgeklärten Bluttat. Jahre gingen ins Land. Prediger und Dorfschulze waren eisengrau geworden, und auch das Haar des Herrn von Blankenburg war schlohweiß. Längst gehörten ihm die vier Hufen des Joachim Berndt und noch manch anderer herrenloser Acker der umliegenden Dörfer. Annamagret war Herrin auf dem Mühlenhof, schön noch immer, aber streng und abweisend gegenüber jedem Freier. Dann kam das Jahr 1569. Zum Erstaunen der Dorfleute kehrte ein verschollen Geglaubter zurück, der Matthias Berndt aus Nürnberg in Franken wollte auf dem Hof seiner Vorfahren ohne Erbansprüche ein geruhsames Alter haben, ihm genüge nur Wohnung und Essen.

Mit Erlaubnis des Blankenburgers zog er in eine Stube im Altenteil seiner Eltern. Annamagret soll seltsam gelächelt haben, als er im Dorf auftauchte. Und um den Martinstag herum ging es wie ein Lauffeuer durchs Dorf: die Mühlenhofbäuerin werde endlich freien, und der Matthias sei der Auserwählte. Ausgerechnet am Sankt Niklas Tag sollte die Trauung in der Kirche stattfinden. Matthias wollte es so; und Annamagret hatte zuvor den Pastor unter vier Augen gebeten, die Lade mit der knöchernen Hand vor den Altar zu stellen. Am Sankt Niklas Tag war die kleine Schlepkower Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt, obwohl niemand zur Hochzeit geladen war. Als der Prediger die ältlichen Brautleute zum Altar aufrief, trat Annamagret dicht an das Geländer und legte ihre rechte Hand auf die Lade, an deren Inhalt sich nur noch wenige in der Kirche erinnern konnten. Annamagrets Linke hielt die Rechte ihres Bräutigams krampfhaft fest, sie zog Matthias dicht zu sich heran. Dann schlug sie ruckartig den Deckel der Lade auf und rief mit lauten, harten Worten: "Joachim Berndt, de hand, van den doten Adam Nilius wist na di! Bekenn, dat du em hest ümt Läben bröcht!" Der Joachim Matthias Berndt wurde aschfahl im Gesicht. Annamagret zog seine Hand mit unwiderstehlicher Gewalt hin zur geöffneten Lade. Dem ergrauten Bräutigam rann Schweiß von der Stirn, er spürte etwas Kaltes, Trockenes und stieß einen Schrei aus. Dann riß er sich los und brach in die Knie. Annamagret schlug mit lautem Knall die Lade zu, alles zuckte zusammen. Der so grausig Verklagte jedoch schnellte auf, sprang zur Priestertüre und wollte fliehen. Nun aber kam Leben in die Männer, sie stürzten ihm nach und hielten ihn mit eisernen Fäusten fest. Der Dorfschulze trat an ihn heran und legte ihm seine Hand schwer auf die Schulter: "Joachim Berndt, im Namen des Rechtes!" Joachim knickte mit einem gegurgelten "Erbarmen" kraftlos in die Knie und ließ sich willenlos abführen. Zu Strasburg tagte ein Gericht. Joachim Berndt wurde vorgeführt und bekannte seine Schuld ohne Zögern. Wenig später waltete der Henker seines Amtes.

Quelle: Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg-Woldegk, Schibri-Verlag Milow

Schmölln

Der Räuberberg

Von Penkun führt eine uralte Straße durch das Randowbruch nach dem uckermärkischen Dorfe Schmölln und von hier aus weiter nach Prenzlau. Es ist anzunehmen, daß diese Straße, ebenso wie die, welche von Pasewalk über Löcknitz führt, ein Teil jener alten Handelsstraße gewesen ist, die über Neumark, Pyritz, Czarnikau und Usck in das Innere des heutigen Rußland geführt hat.

Nicht weit von Schmölln liegt der Räuberberg, der nach Südosten zu 17 - 20 Meter steil nach dem Randowbruch abfällt und in seinem hinteren Teile mit dem Höhenzuge in Verbindung steht, der das Randowbruch umsäumt. Zwischen diesen Höhen ist der Räuberberg durch deutlich erkennbare Gräben abgegrenzt. Auf der Spitze dieses Berges war in alter Zeit ein slawischer Burgwall, auf dem später eine mittelalterliche Burg erbaut wurde, von der heute noch die Reste eines viereckigen Wartturmes, ähnlich denen von Löcknitz und Roten-Klempenow, erhalten sind.

Von dieser Burg geht die Sage, daß es eine Räuberburg gewesen sei, und daß die Räuber, welche sie bewohnten, die auf der Randow vorüberfahrenden Schiffe geplündert hätten. Man erzählt sich, daß die Räuber über die Randow während der Nacht einen Draht gezogen hätten, der in der Burg eine Glocke in Bewegung setzte, sobald er von den darüber hinwegfahrenden Schiffen berührt wurde.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Der Totenkopf mit den goldenen Zähnen

Nicht weit entfernt vom "Räuberberg" – etwas nördlicher – liegt der "Lüttkenberg". Der Name weist wieder hin auf die "kleinen Leute", oder Zwerge, wie sie in vielen Sagen und Märchen vorkommen. Der Name des Berges soll von gerade diesen Zwergen herkommen, die ihre Begräbnisstätten auf dem Berge vor Urzeiten gehabt haben sollen. Gräber sieht man heute nicht mehr, aber die Bauern stoßen ab und zu beim Pflügen auf Steine – ehemalige Gedenksteine, die man den Toten auf ihre Grabhügel setzte.

Eines Tages fand ein Bauer einen solchen Stein, und wie er ihn aus dem Erdloch herausholen will, sieht er darunter einen ganz kleinen Totenkopf mit goldenen Zähnen. "Den läßt du nicht liegen", dachte der Bauer und nahm ihn mit nach Hause. Er legte ihn erst einmal in einen Kasten, der auf dem Boden stand. Er sagte aber keinem Menschen – auch seiner Familie – kein Wort von seinem Fund. In der Nacht aber erhob sich über der Wohnung – auf dem Dachboden – ein furchtbares Rumoren und Getobe. Es hörte sich an, als ob da oben alles umhergeworfen würde. Der Lärm war so laut, daß der Bauer und die Bäuerin kein Auge zutun konnten. Es wurde erst ruhig, als die Hähne anfingen zu krähen, und die Sonne aufging. Unausgeruht und verschlafen ging jeder am anderen Morgen an seine Arbeit. Aber alles, was jeder auf dem Hof anfaßte, fiel zu Boden. Der Bäuerin fiel der Kochtopf aus der Hand, dem Bauer entfiel der Löffel, und dem Knecht gelang es nicht, die Schweine zu füttern und das Pferd aufzuschirren, weil keiner etwas in der Hand halten konnte. Nur der Bauer selbst ahnte, woher das Unglück kommen konnte. Schuld war er selber, weil er den Totenkopf mit nach Hause genommen hatte. So ging er wieder auf den Boden und nahm den Kopf aus dem Kasten und vergrub ihn an der Stelle, an der er ihn gefunden hatte, auf dem Lüttkenberg. Von dieser Stunde an wurde es anders. Nun fielen keine Gegenstände mehr aus den Händen, und der Knecht konnte wieder das Vieh halten und verpflegen.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Schönermark (Nordwestuckermark)

Schlippenbach mit der wilden Jagd

Den alten Schlippenbach, der in der westlichen Uckermark viele Güter besaß, hat man vor alter Zeit viel mit der wilden Jagd umherziehen sehen.

So kommt auch einmal ein Bauer aus Schönermark, als er abends von Schapow zurückfährt, beim Weinberg vorüber. Da sieht er den alten Schlippenbach mit allen seinen Jägern und vielen fremden Herren an großen Tischen sitzen. Auf den Tischen standen Braten und allerhand Gebäck in Hülle und Fülle. Da ward gegessen und getrunken nach Herzenslust, und auch Karten wurde gespielt; und der alte Schlippenbach hatte sie gerade in der Hand und gab jedem der Reihe nach. Wie das der Bauer sah, sagte er: "Spielt´s gut, meine Herren?" Da blickte der alte Schlippenbach auf, sah den Bauer, nahm eine Schüttgabel und reichte ihm eine Ochsenkeule hin, sagend: "Hast du mit helfen spielen, mußt du auch mit helfen essen." Der Bauer aber fiel vor Schreck rücklings über den Wagen und war fast halbtot, als die Pferde mit ihm in Schönermark ankamen. Erst allmählich kam er wieder zu sich und konnte erzählen, wie es ihm ergangen sei.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

Schönfeld

Vom Galgenberg bei Schönfeld

Südlich von Schönfeld liegt der Galgenberg. Auf ihm hat auch in der Schwedenzeit ein Galgen gestanden. An ihm wurden von den Schweden die Wegelagerer, die sich in der Gegend herumtrieben, erhängt. Auch ihr berühmter Anführer, Haberkaut mit Namen, soll dort abgeurteilt sein. Er ist auch in Nähe des Galgens begraben worden, allein sein Geist hat im Grabe keine Ruhe gefunden. Noch heute spukt er umher.

Einmal hat er sich hinten auf das Rad eines Kutschwagens gesetzt. Das hat der Kutscher erst gemerkt, als sich das Rad nicht mehr drehte und die Pferde den Wagen kaum noch fortbewegen konnten. Der Kutscher war aber erfahren in diesen Dingen und schlug mit der Peitsche dreimal ein Kreuz über das Rad. Da mußte der Geist weichen und die Reise konnte fortgesetzt werden. Dem Pastor von Schönfeld hat er vor vielen Jahren einmal einen großen Dienst erwiesen. Der alte Pfarrer konnte nicht mehr viel zu Fuß gehen und fuhr immer nach Kleptow mit einem Wagen. Als er eines Abends in der Passionszeit nach Hause kam, wurde er in der Nähe des Galgenberges von einer heiseren Stimme angerufen. Wie er sich umsah, erblickte er einen bärtigen Mann in hohen Stiefeln und einem ganz altertümlichen Anzug. Dieser Mann rief dem Pfarrer zu, er solle mitkommen. Hilfsbereit stieg der alte Herr vom Wagen und ging mit dem Fremden zum Galgenberg zu. Unterwegs bemerkte er, daß der so merkwürdig aussehende Mann einen langen Strick um den Hals hatte. Plötzlich blieb der Fremde stehen und sagte zu dem überraschten Pfarrer; "Hier grabe nach und Du wirst zufrieden sein." Der Pfarrer sagte: "Ich habe keinen Spaten, grabe Du." Das war sein Glück. Denn nun ging der Geist bei und grub mit den Händen ein tiefes Loch in die Erde. Auf dem Grund des Loches glänzte es wie Gold und Silber. Auf den Befehl des Pfarrers mußte der Geist auch das glänzende Gold heraufholen und auf die Erde stellen. Als das Gespenst nun den Goldschatz auch noch zum Wagen getragen hatte, verschwand es. Zu Hause besah der Pfarrer das, was der Geist aus der Erde geholt hatte und es stellte sich heraus, daß es silberne und goldene Gefäße waren, die wohl der Galgenvogel vor Jahrhunderten geraubt und vergraben hatte. So kamen sie wieder zu ihrem rechtmäßigen Besitzer in das Gotteshaus.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Der Wahnsinnige mit der Zwiebel

Geht man von Schönfeld in südliche Richtung, findet man unterhalb des Galgenberges ein großes Hünengrab. An dieser Stelle sammelten sich seit uralten Zeiten weise Frauen, um Kraft aus den Gestirnen zu sammeln.

Da sich die Weiber zu Konventen zusammenschlossen, die nicht mehr als dreizehn Mitglieder hatten, blieben diese Treffen lange Zeit unbeobachtet. Meist wurden sie zu nächtlicher Stunde abgehalten. Obwohl getaufte Heiden, feierten sie weiterhin ihre heidnischen Feste. Auf dieses Vergehen hatte die Kirche die Todesstrafe durch Ertränken verhangen. So kleideten sie sich in schwarze Umhänge, um möglichst unauffällig an ihre geheimen Treffpunkte zu gelangen. Einmal im Jahr, zu Beltane, wurde im Süden des magischen Kreises ein Feuer entfacht. Ein junger Bauer machte sich neugierig auf den Weg, um zu sehen, was dort mitten auf dem Acker leuchtete. Langsam kroch er an den Platz und konnte beobachten, wie die Weiber sich im Kreise einen Trank reichten, der alles Wissen und Begreifen vermittelt. Nachdem das Ritual beendet war, sprangen die Weiber kreischend durch´s Feuer - als glückbringenden Akt der Reinigung - und öffneten ihren magischen Kreis. Da lief eine Katze auf den jungen Mann zu und kratzte ihm die Augen aus. Die Schreie der Weiber hörte man weit über das Land, und der Schein des Feuers soll bis nach Pasewalk geleuchtet haben. Der junge Bauer kehrte nach Wochen vom Wahnsinn besessen in sein Dorf zurück und erzählte unverständliche Dinge über seine Erlebnisse. Eines war besonders auffällig. Hörte er ein junges Mädchen nahen, biß er in eine Zwiebel, die er immer bei sich trug, und fing bitterlich an zu weinen. Die Bauern machten seither einen großen Bogen um dieses Areal. Es ward niemandem – auch bei Tage nicht – geheuer, über diese Fläche zu gehen.

In unserer Zeit ist das Gelände als Naturdenkmal unter Schutz gestellt. Steht man zu nächtlicher Stunde auf dem hohen Stein, durchfährt einen noch jetzt ein Schauer von Kraft.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Schwedt/Oder

Der Tabak

Gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts wurde der Tabakanbau durch französische Emigranten in der Schwedter Gegend eingeführt. In einer alten Sage heißt es, den Tabak habe der Teufel erfunden, aber kein Mensch habe den Namen des Krautes gekannt, bis er auf folgende Weise ruchbar wurde.

Eines Tages sah ein Bauer, wie der Teufel ein großes Stück Land bepflanzte. Der Bauer, der das Kraut nicht kannte, wurde neugierig und fragte: "Was ist das, Teufel, was du da pflanzt?" "Das rätst du dein Leben nicht!" sprach der Teufel. Das verdroß den Bauer, und er rief: "Was du weißt, weiß ich auch. So klug wie du, bin ich noch immer!" - "So? Wollen wir wetten?" fragte der Teufel. "Wenn du in drei Tagen den Namen des Krautes errätst, so gehört dir das ganze Land und alles was darauf steht. Wenn nicht, verfällst du mir mit Leib und Seele!" Der Bauer ging auf die Wette ein.

Doch schon auf dem Heimweg fiel ihm das Herz in die Hosen. Als er zu Hause angelangt war, setzte er sich traurig nieder und nahm weder Speise noch Trank. Als ihn die Bäuerin fragte, erzählte er ihr alles, wie es gekommen war. Da sagte die Alte: "Wenn´s weiter nichts ist! Den Namen des Krautes will ich dir schon erraten!" Sprach´s und zog sich aus und kroch in die Teertone, dann schnitt sie ein Bett auf und wälzte sich in den Federn. Darauf ging sie auf das Feld, das mit dem fremden Kraut bepflanzt war, und lief zwischen den Furchen auf und ab und neigte den Kopf zur Erde, als wolle sie von den Blättern fressen. Kaum aber hatte das der Teufel bemerkt, lief er zum Hause hinaus, um den großen Vogel zu vertreiben. Er klatschte in die Hände und rief: "Tschuch, du großer Vogel! Willst du aus meinem Tabak heraus! Tschuch!" Die Frau aber hatte an diesen Worten genug, eilte nach Hause und erzählte dem Manne, wie der Teufel das Kraut genannt hatte. Als nun der dritte Tag kam, freute sich der Teufel schon, eine Seele gewonnen zu haben, und lachte über das ganze Gesicht und fragte den Bauern, wie das fremde Kraut heiße. "Das ist der Tabak", gab der Bauer zur Antwort. Da hatte der Teufel seine Wette verloren und mußte ohne die Seele in die Hölle zurück. Der Bauer aber bekam das große Stück Land mit dem Tabak darauf. Damit hat aller Tabaksanbau in der Welt seinen Anfang genommen.

Quelle: Heimatkalender Angermünde 1992

Der Spuk bei der Gedächtnishalle

In der Neujahrsnacht soll man zu der alten Französischen Kirche, dem jetzigen Berlischky Pavillon in Schwedt gehen. In einem Sack, welcher mit 99 Knoten zugesperrt sein muß, hat man einen lebenden Kater eingesperrt. Nun klopfe man an die Tür der Halle und laufe zwischen jedem Klopfen einmal um die Kirche. Alles muß ohne ein Wort geschehen. Nach dem dritten Klopfen tut sich die Tür auf und ein Geist erscheint. Er fragt, auf den Sack weisend: "Was hast du da" "Einen Hasen!" "Überlaß ihn mir, ich geb dir einen Taler für ihn!" Nun gibt der Geist den Taler und bekommt dafür den Sack. Jetzt gilt es schnell mit dem Geldstück in eine offene Haustür zu laufen, denn der Geist hat die 99 Knoten bald gelöst. Da springt ihm ein schwarzer Kater ins Gesicht. Wütend über den Betrug verfolgt der Geist den listigen Händler. Ereilt er ihn vor der Haustür, so dreht er ihm das Genick um. Gelingt ihm aber die Flucht, so hat der Händler einen Hecktaler.

Quelle: Gerhard Hänsel, Uckermärkische Sagen, KIRO-Verlag 1996

Die alte Linde vor der Kirche in Schwedt

Vor der Kirche in Schwedt steht eine Linde, die von der Tochter eines Schwedter Pfarrers gepflanzt worden ist. Sie wollte in den Ehestand treten, aber böse Zungen sagten ihr nach, daß sie die Brautkrone zu Unrecht trage. Vor dem Altar beschwor sie, daß sie eine reine Jungfrau sei. Zum Zeichen dessen, daß sie die Wahrheit gesagt, pflanzte sie vor der Kirche einen Lindenzweig und sagte: "So wahr, wie aus diesem Zweig ein stattlicher Baum sich entwickeln wird, so wahr ist meine Unschuld." Und sie selbst mit vielen Kindern, Enkeln und Urenkeln erfreute sich noch lange Zeit an dem Grünen und Blühen dieser Linde.

Quelle: Gerhard Hänsel, Uckermärkische Sagen, KIRO-Verlag 1996

Der Geist auf der Oder

Zwischen Weihnachten und Neujahr soll man nicht waschen. Wenn man die Wäsche in einem Kahn über die Oder fahren will, so taucht aus dem Wasser ein Geist drohend empor. Fährt der Betreffende zurück, so findet er zu Hause ein Geldstück als Belohnung. Versucht er die Fahrt trotzdem, so geht der Kahn unter und niemand kann ihn retten.

Quelle: Gerhard Hänsel, Uckermärkische Sagen, KIRO-Verlag 1996

Seehausen

Der überlistete Teufel

Vor langer, langer Zeit, heißt es, lebte in dem Dorfe Seehausen am Uckersee ein Schäfer, der seine Schafe weit um den See zur Weide treiben mußte. Der lange Weg verdroß den Mann so, daß er oft unterwegs in laute Verwünschungen ausbrach. Eines Abends, als er seine Schafe heimwärts trieb, hat er auch wieder lästerlich geflucht. Da gesellte sich ein Mann zu ihm, der fragte ihn nach der Ursache seines Unmuts. Der Schäfer klagte, daß er einen gar zu weiten Weg nach der Weide habe, da er die Herde weit um den See herumtreiben müsse, und daß die Schafe auf dem weiten Wege wieder hungrig würden. "Wenn´s weiter nichts ist," erwiderte der Fremde, "so kann ich dir helfen. Wenn du mir deine Seele verschreibst, so baue ich dir in einer Nacht einen Damm durch den See, dann hast du es näher nach der Weide." Der Schäfer merkte, daß sein Gesellschafter der Teufel war, da er aber die Herstellung eines Dammes in so kurzer Zeit für unmöglich hielt, willigte er ein, doch mit der Bedingung, daß der Damm vor dem ersten Hahnenschrei fertig sein müsse, der Teufel versprach, dies zu leisten, und der Schäfer unterschrieb den schriftlich aufgenommenen Pakt, indem er die Feder mit einem Tropfen seines Blutes anfeuchtete.

Der Böse steckte den Zettel in sein rotes Wams und fuhr ab. Alsbald aber erhob sich in der Luft ein fürchterlicher Tumult, wie von starken Wirbelstürmen, und dem Hirten erstarrte fast das Blut in den Adern, als er sah, wie der Teufel mit riesigen Felsblöcken und mächtigen Baumstämmen durch die Luft fuhr, um sie in den See zu stürzen. Atemlos und halb von Sinnen kam er zu Hause an und erzählte seiner Frau, was sich begeben hatte. "Unglückswurm," schrie diese, "weißt du, was nun geschieht? Morgen früh dreht dir der Satan den Hals um und fährt mit dir zur Hölle!" Der arme Schäfer fühlte bereits die Krallen des Teufels im Rücken und konnte vor Angst kein Wort mehr hervorbringen. Das Weib indes behielt klare Besinnung und zog ihn mit hinaus an den See, damit sie sähen, ob es dem Teufel möglich sein würde, den Kontrakt zu erfüllen.

Draußen am See hatte sich der Tumult inzwischen verdreifacht. Ganze Berge schleppte der Teufel durch die Luft herbei; der Damm wuchs zusehends, und als die Mitternachtsglocke ertönte, waren bereits drei Vierteile desselben fertig. Der Schäfer gab sich verloren; sein Weib aber fing plötzlich an, mit heller Stimme den Hahnenschrei nachzuahmen. Der Teufel durchschaute die List und verdoppelte abermals seine Anstrengung. Nur noch eine kurze Strecke trennte ihn vom jenseitigen Ufer, da ertönte plötzlich aus einem nahen Hühnerstalle ein heller Hahnenschrei. In demselben Augenblicke ertönte ein fürchterlicher Donnerschlag, dann wurde es still. Der Teufel war abgefahren; das wackere Weib hatte ihn überlistet; denn durch ihr Krähen aufgeweckt und getäuscht, hatte ein Hahn seinen ersten Morgenschrei viel früher als sonst ertönen lassen. Der Schäfer kam also mit dem bloßen Schrecken davon; geflucht aber hat er nicht mehr. Der Damm aber, der später von den Menschen vollendet wurde, ist noch heute ein beredtes Zeugnis, daß der Teufel bei aller Schlauheit doch manchmal dümmer ist, als ein altes Weib.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberswalde, Prenzlau 1922

Mönche als Riesen

Bei Seehausen am Uckersee hat vor alten Zeiten ein Kloster gestanden, von dem man noch die Fundamente und alten Keller sieht. Von diesem aus soll auch ein gemauerter Gang quer durch den See nach dem großen Burgwall, der auf einer Insel liegt, geführt und dort auch Klostergebäude gestanden haben. Hier sollen nun vor alter Zeit gewaltige Riesen gehaust haben, die sind Mönche gewesen, und man findet noch oft gewaltige Schädel und Knochen, die von ihnen herrühren.

Quelle: unbekannt

Stolpe

Wie der Grützpott zu seinem Namen kam

Vor vielen, vielen Jahren lebte auf der Stolper Burg ein Ritter. Als dieser eines Tages beim Überfall auf einen Kaufmann den Tod fand, flohen seine Gefolgsleute geschwind in die Burg oberhalb der Oder. Nachdem die Bauern der Umgebung vom Ableben des Ritters erfahren hatten, machten sie sich auf, die Festung zu stürmen. Die verbarrikadierten Verteidiger der Burg wehrten sich mit allen Mitteln, warfen Steine und schütteten Pech vom Turm herab. Schließlich, als nur noch der zum Essen vorbereitete heiße Grützbrei übrig blieb, versuchten sie auch damit die anstürmenden Bauern zu vertreiben. Doch vergeblich, die Bauern nahmen den von ihnen nun "Grützpott" genannten Turm ein. Von den Burgmauern blieb nichts übrig, nur der dicke Turm blieb stehen und behielt fortan seinen markanten Namen.

Quelle: Brandenburg, Band 1 der Norden, Die Uckermark, ADAC Berlin-Brandenburg

Storkow

Pucks in Storkow

Einem Pucks muß man was zu tun geben und muß ihn beileibe nicht bei der Arbeit stören, sonst richtet er allerhand Unfug an. Dann kann man es erleben, daß er die Pferde mit dem Schwanz an die Krippe, die Kaninchen auf die Hühnernester setzt und die Schweine in die "gute" Stube treibt. Das Gesinde hat am andern Morgen zu tun, um die über Nacht geschaffene Unordnung wieder in die Reihe zu bringen. Ist Pucks aber von einem Unberufenen erspäht worden, so verläßt er seinen Besitzer auf Nimmerwiedersehen. Während Pucks sonst ein ziemlich harmloses Wesen ist, war der Storkower ein arg teuflischer Kobold. Nicht durch fleißige Arbeit verschaffte er seinem Bauern Reichtum, sondern wenn alles auf dem Felde war, stahl er von den Nachbargehöften was nicht niet- und nagelfest war für seinen Besitzer zusammen. Oben auf dem Boden haust er tagsüber in einer Tonne. Im Hausdach befand sich ein Loch; hier kroch er durch und besah sich des öfteren vom Dachfirst aus die Gegend. Das geschah zumeist vor Einbruch der Dunkelheit. Wer da oben aber den kleinen roten Kerl wahrnahm, den traf andern Tages bestimmt ein Unglück. Einmal ertränkte sich ein alter Mann wegen dieses Kobolds. Als dann aber ein junges Mädchen, das jedermann im Dorfe gern hatte, über den Anblick des Pucks und des ihr nun sicher bevorstehenden Unglücks erschrak, daß sie von selbst ins Wasser ging, da war es den Dorfleuten zu viel. Es rumorte mächtig unter den Bauern. Um aller Unannehmlichkeit zu entgehen, schaffte sein Besitzer den Puck in größter Heimlichkeit des Nachts fort und lud ihn Hammelspringern auf.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

Suckow

Der Suckowsche Kammerherr

Der Suckowsche Kammerherr hatte eine alte Bibel - sie soll noch bis auf den heutigen Tag im Schlosse liegen - , die war mit Ketten verschlossen. Das war auch nötig, denn darin befinden sich alle sieben Bücher Mosis und darunter auch die zwei, die in den gewöhnlichen Bibeln fehlen, und in denen, wie die Leute ja behaupten, das rechte Zauberzeug steht. Die Schrift des Buches ist aber schon ganz vergilbt und kaum noch lesbar. Daraus hat der Suckowsche Kammerherr seine Kunst entnommen. Einige Hauptstücke hat er freilich vom Müller Pumpfuß gelernt. Das war ein Müller in der Gegend von Gramzow und einer der größten Tausendkünstler, die es je gegeben. Mit dem ist aber der Suckowsche Kammerherr so zusammengekommen. Er fuhr einmal eines Abends spät nach Hause zurück, und wie er an einen Hohlweg kam, wollten die Pferde nicht weiter und blieben vor einem dunklen Gegenstande, der quer über dem Wege lag, stehen; das war aber Pumpfuß, der hatte sich dort hingelegt und tat, als höre er weder Wagen noch Pferde. Der Kutscher, welcher glaubte, es wäre ein Trunkener, stieg ab, um ihm auf die Beine zu helfen, aber Pumpfuß rückte und rührte sich nicht und machte sich steif wie ein Baumstamm. Da ward der alte Kammerherr zornig und befahl dem Kutscher wieder aufzusteigen und über den Kerl, wenn er denn gar nicht aufstehen wollte, fortzufahren.

Der stieg auch auf, aber soviel er auch auf die Pferde lospeitschte, sie gingen nicht vorwärts, und der Wagen rührte sich nicht von der Stelle. Da merkte der Kammerherr, daß der Wagen festgemacht sei - das war auch so ein altes Zauberstück - und hieß den Kutscher noch einmal vom Bock herunterzusteigen und den Kerl fragen, wer er eigentlich sei, und was er wolle. Als er nun hörte, daß es Pumpfuß sei, fragte er; "Den habe ich lange gesucht," und hieß ihn in seinen Wagen steigen und mit auf sein Schloß zu fahren, damit er ihn alles lehre, was er könne. Das tat denn auch Pumpfuß, und so lernte der Kammerherr alles von ihm, was er wissen wollte. Als er nun nach einiger Zeit glaubte, alles zu können, fragte er seinen Lehrmeister, ob er ihm auch alles, was er wisse, gezeigt habe. Als nun Pumpfuß das bejahte, ließ er einen Scharfrichter kommen, der sollte ihm den Kopf abschlagen, damit er keinen weiter das lehren könne, was er ihm gelehrt. Pumpfuß tat, als wenn gar nichts geschehen wäre, und ihn die Sache gar nichts weiter anginge. Als aber der Scharfrichter zuhauen will und schon den Arm mit dem Beil hebt, siehe, da bleibt ihm plötzlich Arm und Beil in der Luft stehen - er ist festgemacht. Da lachte Pumpfuß und sagte: "Das Kunststück habe ich noch für mich behalten," und ging ungefährdet seiner Wege. Der Kammerherr aber war schließlich noch froh, daß er ihn so ohne weiteres losgeworden.

Einige erzählen diese Zaubergeschichten vom Markgrafen Karl, der zur Zeit des alten Fritz lebte, wieder andere vom Suckowschen Kammerherrn, einem aus der Familie der Arnims, die in sehr großer Zahl im westlichen Teil der Uckermark ansässig sind. Dem Suckowschen Kammerherrn soll auch einmal ein Bauer aus Flieth nachgefahren sein, wie er so über das Wasser dahinfuhr. Auf dem Wasser sagte der Suckowsche Kammerherr nichts, aber den anderen Tag ließ er sich den Bauer auf sein Schloß kommen und fragte ihn, wie er sich hätte unterstehen können, ihm nachzufahren. "I," sagte der Bauer, "da fahre ich ja schon länger als Sie, gnädiger Herr." "So," sagte der Kammerherr, "das wird sich bald zeigen, ob du auch solche Kunst verstehst," und hieß ihn am folgenden Tage wieder auf das Schloß kommen.

Als nun der Bauer sich einfand, setzte er ihm Fische vor. Der Kammerherr schälte das Fleisch fein säuberlich von seinen Fischen ab, so daß der Kopf und Gräten unversehrt blieben, dann setzte er diese ins Wasser, und da waren die Fische wieder lebendig und schwammen lustig davon. Nun forderte er den Bauer auf, ihm das nachzumachen. "Ach," sagte der Bauer, das ist ja gar nichts, gnädiger Herr," und nahm einen Fisch und zerbiß ihn kurz und klein, daß auch nicht die kleinste Gräte ganz blieb, dann spie er den ganzen Klumpen ins Wasser und siehe da! auch sein Fisch war wieder lebendig und schwamm davon, da merkte denn der Kammerherr, daß jener mehr könne als Brotessen, und ließ ihn ruhig gehen.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberswalde, Prenzlau 1922

V

Vierraden

Wie die Burg Vierraden zu ihrem Namen kam

Ursprünglich hieß sie nach dem Willen des Erbauers die rote Burg. Den Namen hatte der Ritter nach den Farben seines Wappens gewählt. Er wachte darüber, daß alle den Namen "Roteburg" gebrauchten.

Nun lag an der alten Handelsstraße, die von Schwedt nach Stettin führte, an der Welse eine Mühle mit vier Mahlgängen, also vier Rädern. Diese Mühle erschien natürlich den Bauern viel wichtiger als die Burg des Ritters. Man gewöhnte sich daran, den Übergang über die Welse mit ihren weiten Sümpfen nach der Mühle zu benennen und die Burg ebenso. Das verdroß den Ritter sehr. Da er aber den weit und breit angesehenen Müller der Vierradenmühle nichts anhaben konnte, weil dieser auch bei dem Landesfürsten in Gunst stand, griff er zu einer gemeinen List. Er lud den Müller freundlich zu einer Abendmahlzeit auf die Burg. Während des Essens stand der Ritter plötzlich auf und sah aus dem Fenster: "Ich sehe einen Stern, den sehe ich gern!" Der Müller, der gleich Böses ahnte, sagte in seiner bedächtigen Art: "Ich sehe den Stern aber nicht gern!" Die Vierradenmühle stand in Flammen. Um den verhaßten Namen der Mühle loszuwerden, hatte der heimtückische Ritter durch einen begnadigten Mörder die Mühle anzünden lassen. Ritter und Müller sind längst tot. Aber der Ritter fand im Grabe keine Ruhe.

Noch heute begegnet er den Menschen zur Mittagszeit im Küselwind und ruft: "Roteburg, Roteburg", aber kein Mensch kehrt sich daran, Stadt und Burg heißen heute noch Vierraden.

Quelle: Gerhard Hänsel, Uckermärkische Sagen, KIRO-Verlag 1996

Die letzten Grafen von Hohenstein

An der Nordseite von Vierraden liegen an der Welse die Trümmer der ehemaligen Burg der Grafen von Hohenstein, von der noch ein hoher Turm bis auf den heutigen Tag steht. Von den übrigen Gebäuden sind indes nur noch die Grundmauern zu sehen. In dieser Burg lebten vor Zeiten die Grafen von Hohenstein, zuletzt ein Vater mit seinem Sohn.

Da geschah es, daß der Vater einst nach Chorin ritt, denn dort wurden immer große Turniere gehalten. Seinem Kaplan befahl er, während seiner Abwesenheit seinen Sohn gut zu bewachen, denn der suche Händel und könne leicht in Gefahr geraten; außerdem prägte er es aber auch dem Wächter an der Zugbrücke noch ganz besonders ein, seinen Sohn unter keiner Bedingung aus der Burg zu lassen. Zu derselben Zeit lebten in Penkun und Gartz zwei Ritter, die schon lange verfeindet waren, und der von Gartz hatte dem Penkunschen, der Brautmann war, seine Frau geraubt und auf sein Schloß gebracht. Das hatte der junge Hohenstein gehört, und sann auf eine List, wie er seinem Freunde, dem Ritter von Penkun, zu Hilfe kommen könne. Zu dem Zwecke nahm er, als der Kaplan eingeschlafen war, dessen Kutte, zog sie sich an und kam auf diese Art glücklich über die Zugbrücke. Einige Knechte, die er vorher schon für sich gewonnen hatte, nahm er mit und zog nach Gartz, wo er die Braut des Penkunschen Ritters aus der Burg holte und zu ihrem Brautmann zurückführte. Währenddessen war aber der Kaplan erwacht, hatte schnell eine Anzahl Knappen ausgeschickt und ihnen befohlen, wo sie den jungen Hohenstein fingen, sollten sie ihm auf der Stelle dreißig Hiebe erteilen. Sie brauchten nicht lange zu spähen und die verhängte Strafe wurde trotz heftiger Gegenwehr an ihm vollzogen. Dadurch fühlte er sich in seiner Ehre so gekränkt, daß er nicht mehr in die Burg zurückgekehrt ist, und seither hat man ihn nicht wieder gesehen. Sein Vater aber starb bald danach auf einem großen Turnier in Chorin, und mit ihm ist der letzte der Grafen von Hohenstein in die Grube gefahren.

Quelle: Gerhard Hänsel, Uckermärkische Sagen, KIRO-Verlag 1996

W

Wallmow

Der gespenstische Nachtwächter von Wallmow

Bei den Rollbergen am Kreuzweg nach Grenz und Schwaneberg kann man nachts einem alten Mann mit großen Radkragen und einem Horn begegnen. Dieser schleicht ganz leise durch die Nacht. Aber wie erschrickt der Wanderer, wenn er auf einmal sein Horn an den Mund setzt und ruft: "Bewahret Feuer und Kerzenlicht, die Glocke ist...", "...Zwölfe!" kann er aber nicht sagen. Das ist eine Strafe, die er in alle Ewigkeit erleiden muß.

In seinem Leben war er als Nachtwächter in Wallmow angestellt worden, und er tat auch getreu seinen Dienst. Da kam aber der große Krieg in das Land und verschonte auch die Wallmower nicht. Ein wilder Haufen plündernder und mordender Soldaten machten die Gegend um das Dorf unsicher. Voller Angst nahmen die Bauern und anderen Einwohner Wallmows ihr Gold und Silber und verschanzten sich in der kleinen, alten Feldsteinkirche. Die Soldaten plünderten das Dorf und steckten es in Brand. Soviel sie aber auch die Kirche belagerten, sie hielt den Angreifern stand. Ja, sogar die Bauern machten einen Ausfall und trieben die Soldaten in die Flucht. Nun befand sich aber unter den in der Kirche verschanzten Bauern ein Verräter. Das war der Nachtwächter. Er hatte mit den Soldaten ausgemacht, daß er ein Zeichen geben würde, wenn sie in der Nacht die Kirche berennen und dabei eine Tür offen finden würden. Als Zeichen sollte sein Lied dienen: "Bewahret Feuer und Kerzenlicht, die Glocke ist...". In der Nacht, in der er das "...Zwölfe!" ausließ, würde er die Tür unverschlossen lassen. Der teuflische Plan gelang. In einer dunklen und stürmischen Nacht ließ der Nachtwächter mit seinem Horn das halbe Lied ertönen, und die Soldaten erstürmten die Kirche. Sie erschlugen alle, die sich darin befanden, auch den Nachtwächter. Der aber muß zur Strafe am alten Kreuzweg herumspuken. Er hat jedoch eine Chance, sich erlösen zu lassen. Wenn jemand, den er trifft, so geistesgegenwärtig ist, das "...Zwölfe!" bei seinem Lied hinzuzufügen, dann wird der gespenstische Nachtwächter erlöst sein. Doch bis jetzt ist es niemandem gelungen.

Quelle: Teufelssteine, Unheimliche Geschichten von den Ufern des Flusses Ucker, ARKADIEN e. V., Schibri-Verlag, 1997

Warbende

Wie das Dorf Warbende zu seinem Namen kam

Zur Gemeinde Parmen-Weggun gehört auch der Ortsteil Warbende. Der Name dieses Dorfes wird von Sprachkundigen von dem altslawischen Wort vrûba oder dem westslawischen vrba, das heißt Weidenbaum, abgeleitet. Es gibt aber auch eine Sage, die den Namen anders erklärt. Mitten im Parmener See liegt eine mit Bäumen bewachsene Insel. Auf ihr hat vorzeiten ein Schloß gestanden, und man findet auch heute noch auf ihr große und kleine Steine, die von dem Mauerwerk herrühren sollen. Hier hatte ein mächtiger Graf namens Warburg ein festes Schloß erbaut, in dem er seine schöne Tochter während seiner vielen Raub- und Jagdzüge gesichert zurückließ. Das Schloß war so häuslich gebaut, daß es zwei Stockwerke hoch war, aber es gab keine Treppe in ihm. Die Tochter mußte im oberen Stockwerk wohnen, zu dem sie mit einem Korb heraufgezogen wurde.

In einer kalten Winternacht kam nun einmal ein fremder junger Graf in die Gegend. Er erblickte vom Waldrand des Kiecker das Licht in den Zimmern der jungen Gräfin. Er ging über die gefrorene Fläche des Sees und kam zum Schloß, fand aber keine Tür. Hoch oben am Fenster hing der Korb mit dem Seil, und auf sein Bitten zog die Tochter ihn hinauf. Als sie nun sah, wen sie da hochgeholt hatte, freute sie sich sehr. Endlich konnte sie nach langer Zeit wieder einmal mit einem Menschen sprechen. Sie plauderten miteinander und bemerkten gar nicht, daß der alte Warburg über das Eis des Sees gesprengt kam. Nun war guter Rat teuer. In ihrer Angst vor dem Vater ließ die Gräfin ihren Besucher auf einer kleinen Leiter auf den Boden des Schlosses hinaufsteigen.

Kaum war er oben und hatte sich versteckt, da hörte sie schon die scheltende Stimme des Vaters. Sie zog auch ihn nach oben. Mißmutig stapfte der Ritter in seiner Rüstung im Zimmer umher, denn er hatte auf seinen Beutezügen kein Glück gehabt. Plötzlich entdeckte er die schmale Leiter, die an den Bodenraum gelegt war. Mit den Worten "Wer ist da oben?" wollte er hinaufsteigen. Da brach die Leiter unter der Last zusammen, der Ritter stürzte und brach Arm und Bein. Nun lag er in seinem jämmerlichen Zustand, und in ihrer Ratlosigkeit gestand ihm die Tochter, wer bei ihr sei. Da stieg auch schon der junge Graf vom Boden herab, und weil die beiden den Alten so liebreich pflegten, gab er die Einwilligung zur Hochzeit. Doch mit den Jagd- und Kriegszügen war es vorbei. Auch von der einsamen Insel zogen sie aus und bauten das Schloß Warbungsende, aus dem der Name Warbende wurde.

Quelle: Heimatkalender Prenzlau, 1981

Warthe

Die große Glocke zu Warthe

In uralten Zeiten hielten sich in dem waldumgrenzten See, der nahe bei dem unweit Boitzenburg gelegenen Dorfe Warthe liegt, Feen auf, durch die den Bewohnern der dortigen Gegend viel Gutes erwiesen wurde.

Im Grunde des Sees stand eine Kirche, in der sie ihre religiösen Versammlungen hielten, und das herrliche Glockengeläut, das sie hierzu einlud, scholl oft aus der Tiefe herauf und wurde von den Menschen, die zufällig am See beschäftigt waren, gehört; ja die Fischer, welche in stillen Sommernächten ihrem Gewerbe obliegen, wollen noch heute zeitweise die aus großer Tiefe dringenden Töne vernehmen. Einst nun, vor vielen, vielen Jahren, war eine Bäuerin aus Warthe am See mit der Wäsche von Kinderzeug beschäftigt. In ihrer Nähe ragte aus drei Stellen etwas aus dem Wasser hervor, das sie für die knorrigen Wurzeln abgestorbener Erlenstämme hielt; diese Stämme kamen ihr gerade bei der Wäsche zustatten. Auf einen von ihnen legte sie die gespülte Wäsche, über die beiden anderen legte sie ein Brett, auf welchem sie mit einem Waschholz das Zeug ausklopfen wollte. Kaum hatte sie indessen einige kräftige Schläge auf ein Stück Wäsche getan, als die vermeintlichen beiden Erlenstämme, auf denen ihr Brett lag, sich zu senken begannen und gleichzeitig, ein Gesumme von Glocken ertönte. Jetzt erst gewahrte die Frau, daß das Brett auf den Hauben zweier mächtiger Glocken gelegen hatte, die allmählich immer tiefer und tiefer in den See sanken. Auch der mutmaßliche dritte Erlenstamm, auf welchem die gespülte Wäsche ruhte, war die Haube einer Glocke, die jedoch kleiner sein mußte als die versunkenen. Sie war durch die Wäsche an ihren Platz gebannt und konnte ihren Schwestern nicht nachfolgen in die Tiefe. Eiligst lief die Frau in das Dorf, um jung und alt das Geschehene zu berichten und vergaß in der Hast sogar, ihre Wäsche mit fortzunehmen. In diesem Falle war das freilich ein Glück, denn als die Dorfbewohner zum See hinauskamen, sahen sie eine große Glocke im Wasser stehen. Sie hatten nun nichts eiligeres zu tun, als mit Hilfe von 12 Pferden die Glocke an das Land zu bringen und späterhin auf den Kirchturm zu schaffen, von wo sie nun schon seit Jahrhunderten die Gläubigen zur Andacht ruft. Fischer, die während des Läutens dieser Glocke auf dem See beschäftigt waren, wollen behaupten, daß gleichzeitig auch tief unten im Wasser der Ton zweier Glocken vernehmbar sei, und daß es so traurig klänge, als klagten sie über den Verlust ihrer Schwester.

Quelle: Sagenschatz der uckermärkischen Kreise, gesammelt und herausgegeben von Rudolf Schmidt - Eberswalde, Prenzlau

Der Abendmahlskelch der Warther Kirche

Unter den heiligen Geräten in der Warther Kirche befindet sich ein Kelch, auf dessen Boden die Worte eingraviert sind: "Dieser Kelch gehört im Gotteshause zu Bröddin." Von diesen Abendmahlsgeräten geht folgende Sage:

Eines Tages sah ein Bauer aus Warthe, der seinen Acker bestellte, daß sich eine Schar feindlicher Reiter dem Dorfe Bröddin näherte. Es war gerade während der schlimmsten Zeit des Dreißigjährigen Krieges, wo es ein Wunder zu nennen war, wenn man noch einen pflügenden Bauern sah. Aber dieser Bauer war einer von der Art, der seine Erde über alles liebte und zudem war er ein gottesfürchtiger Mann. Darum kam ihm beim Anblick der feindlichen Reiter als erster der Gedanke: du mußt die heiligen Geräte der Bröddiner Kirche retten; denn selbst vor Heiligen machte der verwilderte Landsknecht schon längst nicht mehr halt. Die Reiter waren aber schneller als er. Als er ins Dorf kam, war die Kirche bereits erbrochen, und die Feinde hatten sich darin mit Roß und Reiter einquartiert. Gerade waren sie damit beschäftigt, Strohschütten zu machen, jedenfalls gab es für den Bauern nichts mehr auszurichten. Betrübt trat er den Rückweg an. Aber kaum lag das Dorf hundert Meter hinter ihm, als ihm eine unbekannte Frau entgegenkam. Die trat schweigend an ihn heran, nahm aus ihrer Schürze die heiligen Geräte, gab sie ihm und ging weiter. Der erstaunte Bauer wußte nicht, was er fragen sollte. Und als er sich umsah, war die Frau verschwunden. Er nahm nun die Abendmahlsgeräte mit nach Hause und versteckte sie hier.

Als der Krieg beendet war, brachte er sie in die Warther Kirche, weil die Kirche in Bröddin im weiteren Kriegeslaufe noch vollständig zerstört worden war. Hier befinden sich die sehr alten Bröddiner Abendmahlsgeräte heute noch.

Quelle: Unsere Heimat, Blätter für Heimatpflege, Unterhaltung und Belehrung, Wochenbeilage zum "Templiner Kreisblatt, Templiner Zeitung", Nr. 53, Freitag, den 04.März 1938, 91. Jahrgang

Werbelow

Aufhockendes Weib

Die Flurnamensammlung von 1936, durchgeführt von Lehrern in der Provinz Brandenburg, erbrachte für die drei uckermärkischen Kreise rund 13.000 Flurnamen, für den Kreis Prenzlau 4.500 und für Werbelow 23. Ein uns heute nicht sogleich erklärlicher Werbelower Flurname ist "Hackupsbeutel", von Hackup – Aufhock (Uphack) abgeleitet. Es soll eine sackähnliche Wiese sein, die , wenn man die nächtens durchschreitet, zum gespenstigen Ort für ein aufhockendes altes Weib wird, das einem im Dunkeln auf den Rücken springt.

"Drei Müllergesellen, welche auf der Werbelowschen Mühle in Lohn standen, gingen einmal nach Feierabend zum Krug im nahen Nechlin. Als sie spätabends heimkehrten und gerade am Wiesenweg angelangt waren, der die Landstraße abkürzt, rief der eine Geselle dem anderen zu: "Kiek es, dor sitt se!" Die beiden anderen Müllerburschen, die nichts sehen konnten, fragten ihren Zechgesellen, der ein Sonntagskind war, was er denn sehe. "Dor, bi´n Dornbusch sitt ´n oll Wif´," erwiderte dieser, und damit ging er, da er ein beherzter Bursche war, dreist nach dem Dornbusche, um das dort hockende alte Weib anzusprechen. Kaum aber war er an dem Dornbusche angelangt, so vernahmen die beiden zurückgebliebenen Müllergesellen einen gellen Angstschrei. Entsetzen packte auch sie, und eilends ergriffen sie die Flucht. Erst Stunden später kam auch der dritte Geselle auf der Mühle zu Werbelow an. Ganz naß war er auf dem Leib, vor Mattigkeit konnte er sich kaum auf den Beinen halten. Am anderen Morgen erzählte er seinen Mitgesellen, daß das alte Weib ihm sofort auf den Rücken gesprungen sei und ihm gar jämmerlich zugesetzt habe. Trotz allen Rüttelns und Schüttelns sei es ihm doch nicht gelungen, den Hackup abzuwerfen. erst kurz vor der Mühle konnte er das alte Scheusal. das so fest auf seinem Buckel gesessen, als sei es angewachsen, wieder loswerden. Von nun an konnte der Müllergeselle nie wieder des Abends unangefochten vom Krug heimkehren, denn jedesmal hockte ihm das alte spukende Weib auf den Rücken. Zuletzt kam sie sogar bis zur Mühle und wartete dort auf den Gesellen; oder sie rief ihn auch, wenn er des Nachts mahlte, er solle doch hinaus zu ihr kommen. Dem also geplagten Müllergesellen wurde die Sache endlich über. Er schnürte sein Bündel, ließ sich den Lohn auszahlen, nahm den Wanderstab und reisete in die weite Welt."

Quelle: Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg-Woldegk, Schibri-Verlag Milow

Weselitz

Wie das Dorf zu seinem Namen kam

Im Namen des Dorfes ist das Wort "Esel" versteckt. Früher wohnten in Weselitz recht einfältige Leute.

Sie wollten unbedingt ihren Ort durch ein Ereignis berühmt machen, und zwar so berühmt, daß sie sogar das Stadtrecht verliehen haben wollten. Da sie das aber nur vom obersten Landesherren bekommen konnten, beschlossen sie, sobald der wieder in Prenzlau weilte, ihm ein Geschenk in Form von Lebensmittel zu machen. Erfreut stimmten alle Einwohner dem Vorschlag zu. Sie kamen auf die Idee, daß ein praktisches Geschenk ein Kürbis sei. Über ein so großes, rundes Ding würde sich der Landesherr sicher sehr freuen. Da aber warf der kluge Hans ein, der Herr wäre zu dumm, um den Kürbis als Eßware zu erkennen und würde denken, der Kürbis wäre eine mit Körnern gefüllte Kanonenkugel und sie wegschießen lassen. Frisches Obst wäre doch viel besser. Das leuchtet allen ein. Als nun wieder einmal der Landesherr in Prenzlau weilte, überbrachte eine ganze Abordnung Weselitzer eine mit Pflaumen gefüllte Kürbishälfte. Als der König das sah, da ergriff ihn die große Wut, er nahm die Pflaumen und warf sie den Bauern einzeln an die Köpfe. Als sie wieder nach Hause kamen, ließen aber die Bauern Hans hochleben, denn sie meinten, wenn der König sie statt der Pflaumen mit Kürbissen beworfen hätte, dann wäre es schlimmer für sie ausgegangen.

Quelle: Gerhard Hänsel, Uckermärkische Sagen, KIRO-Verlag 1996

Wilsickow

Die Frau in der gläsernen Kutsche

Im Norden des Kreises Prenzlau liegt das Dorf Wilsickow. Geht man weiter nach Norden, so kommt man auf die Verbindungsstraße zwischen Pasewalk und Strasburg. Jenseits der Kunststraße führt der Weg bis nach Groß-Luckow. Nach ungefähr 500 Metern zweigt ein Weg von diesem nach dem Gut Neuhof ab. Diese Weggabelung, die einen schönen Blick über den Mühlbach und seine saftigen Wiesen vermittelt, ist der Standort eines recht bösen Gespenstes.

Vor vielen, vielen Jahren hat in diesem Mühlbach eine reiche Gutsherrin von Wilsickow ihr eigenes Kind ertränkt. Sie soll in einer schwarzverhangenen Kutsche bis an diese Wegkreuzung gefahren, dann ausgestiegen sein und den Kutscher nach Hause geschickt haben. So glaubte sie ihre Untat von niemand gesehen. Doch das böse Gewissen ließ ihr keine Ruhe. Nach ihrem Tod geht sie nun hier als Gespenst um. Sie erscheint dem müden Wanderer in einer gläsernen Kutsche, die von sechs kopflosen Rappen gezogen wird. Immer, wenn sie einem begegnet, halten die Pferde an und aus der gläsernen Kutsche steigt der Gestalt nach eine junge Frau, doch das Gesicht ist ganz verschimmelt. Klagend streckt sie die Arme aus und will den Wanderer mit an den Mühlbach locken. Geht er mit, so verschwindet das Gespenst, läuft der Wanderer nach Wilsickow zurück, so jagt die Kutsche mit den kopflosen Pferden hinter ihm her, bis die ersten Menschenstimmen laut werden. Immer aber dauert es gar nicht lange, bis der Wanderer, dem das Gespenst in der gläsernen Kutsche begegnete, sterben muß. So liegt ein Fluch auf diesem Kreuzweg. Ein Mittel soll es geben, um vor aller Gefahr sicher zu sein: doch wer kann sich das beschaffen? Vor Jahren ist einmal der alte Jäger aus Oslanin an diesen Kreuzweg gekommen. Auch ihm begegnete die Frau in der gläsernen Kutsche. Seelenruhig trat er ihr entgegen. Er konnte das auch, denn er hatte einen Krötenstein in seiner Tasche, der ihn vor jeder Gefahr schützte.

Quelle: Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg-Woldegk, Schibri-Verlag Milow

Wolfshagen

Apatz

Zwischen Wolfshagen und Schlepkow lag vor Zeiten ein urwüchsiges Waldstück, das seinen Namen von einem Drachen hatte, der in dem sumpfigen Urwald hauste. Niemand traute sich in die Nähe seiner Höhle, denn schon der Atem des Untieres genügte, um einen Menschen zu töten. Der Drache Apatz war ursprünglich vom Ritter aus Wolfshagen in einen tiefen Burgkeller gesperrt worden. Aber ein vorwitziges Küchenmädchen hatte dem Scheusal die Türe geöffnet, und flugs war er in den Wald entwichen. Hier versetzte er die ganze Gegend in Angst und Schrecken. Vergeblich hatten mutige Jäger versucht, den Drachen zu töten. Doch keiner konnte sich je "Drachentöter vom Apatz" nennen. Bis einmal ein Wanderer in diese Gegend kam und von dem Apatz hörte. Man hatte ihm auch erzählt, der Drache bewache einen großen Schatz. Der Fremde, ein Schmiedegeselle, wollte den Schatz heben.

Und um gegen das Untier gefeit zu sein, hämmerte er sich aus Johanniskraut ein Netzhemd, das ihn unsichtbar machte. Angetan mit diesem Schutz schlich er sich an den Drachen heran und schlug ihm mit seinem größten Schmiedehammer voller Wucht gegen den Kopf, ohne daß ihn der giftige Atem des Apatz treffen konnte. Der Drache lag wie leblos da. Der Geselle sammelte in der Drachenhöhle die Goldtaler auf und zog frohgemut gegen Prenzlau. Hier machte er sich in der ersten Gastwirtschaft einen guten Tag und prahlte mit seiner Tat und seinem Schatz.

Doch neidvolle Zechbrüder mochten seiner Geschichte nicht glauben. Man warf ihm vor, ein ganz schlimmer Dieb zu sein und wollte ihn an den Galgen bringen. Schnell fanden sich einige meineidige Zeugen und der Richter fällte sein Urteil: Tod durch den Galgen. Schon stand der Schmiedegeselle auf der Leiter, den Strick um den Hals. In seiner Not rief der Geselle: "Apatz, Apatz, komm und nimm dir dein Gold zurück!" Kaum hatte er seine Worte ausgerufen, da kam auch schon Apatz durch die Lüfte angebraust, packte den Gesellen mit den Krallen, den Goldbeutel vom Galgentisch mit der anderen und flog mit seiner Beute davon. Seit dieser Zeit nun spukt auch der Schmied im Drachenwald herum. Doch er hat jetzt zwei Köpfe, einen wie ein Mensch und einen wie eine Schlange. Zu Leide tut er keinem etwas. Im Gegenteil.

Einmal hat er einem "Nudelbuddler" geholfen, der in großer Not war. Der Mann buddelte nachts bei Laternenschein seine Kartoffeln, um dafür frische Milch für seine kranke Frau einzutauschen. Im flackernden Laternenschein erschien ihm der doppfelköpfige Geselle und schenkte ihm Krug und Semmel. Jeden Tag war nun der Krug mit frischer Milch gefüllt. Die Semmel aber wurde niemals alt und nie aufgezehrt, so oft man auch von ihr ein Stück abbrach. Ganz anders dagegen erging es einem Pferdedieb aus Fürstenwerder. Als dieser wieder ein Pferd gestohlen hatte und es nach Hause führen wollte erschien ihm der doppelköpfige Schmied vom Apatz urplötzlich an einer alten Kopfweide. Der Menschenkopf des Drachenschmiedes redete auf den zu Tode erschrockenen Pferdedieb ein, der Schlangenkopf indes biß dem Mann aus Fürstenwerder so in den Schenkel, daß er vor Schmerz laut aufheulte und die Zügel des Hengstes los ließ. Der Hengst suchte sofort das Weite und ist sogar wieder bei seinem Besitzer angekommen. Die Wunde des Pferdediebes aber ist niemals wieder richtig verheilt.

Quelle: Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg-Woldegk, Schibri-Verlag Milow

Der ruhelose Jäger

Einst lebte in Wolfshagen ein alter Mann. Dessen Sohn kannte nur eines: die Jagd. Der Alte mußte die harte Feldarbeit verrichten, der Sohn jagte in den Wäldern. In seiner letzten Stunde flehte der Alte: "Sohn, steh' mir bei!" Doch der nahm die Flinte vom Haken und ging schnell hinaus. Da verfluchte der Vater den Sohn und rief: "So jag du und der Teufel dazu!" Der Alte verstarb, doch seitdem irrt der Sohn ruhelos umher.

Des Nachts hört man den ewigen Jäger rufen und wild durch die Wälder hetzen. Mit Vorliebe erscheint er auch dem nächtlichen Wanderer auf dem Kreuzweg nördlich bei Damerow, in der Nähe des Lindenberges. Hier soll er einmal dem Förster vom Forsthaus Kieker begegnet sein. Dieser wollte seinen Freund in Damerow besuchen. Als er auf dem Kreuzweg sein Fuhrwerk anhielt, um sich eine Pfeife anzustecken, ertönte urplötzlich in den Lüften ein wildes Geschrei. Entsetzt sprangen die Pferde an, und um ein Haar wäre der Wagen am nächsten Stein zerschellt. Auch einer alten Frau, die mit einem Korb Eier auf dem Rücken und einem anderen in der Hand über den Kreuzweg ging, erschien der ewige Jäger. Er hatte in seiner Hand vier frische geschossene Hasen und bot sie der Frau als Geschenk an. Die wollte sie aber nicht nehmen, sondern dem Jäger für die Hasen zum Tausch den Handkorb Eier anbieten. Der ewige Jäger ging auf den Handel ein. Er nahm die Eier aus dem Korb und steckte sie vorsichtig in seine große Jagdtasche. Als er damit fertig war, nahm die Frau die vier Hasen und legte sie in ihren Handkorb. Schon wollte sie sich vom Kreuzweg wenden, da sah sie, wie der Jäger die eben verstauten Eier wieder aus der Tasche nahm, um sie einzeln auf den Weg zu werfen. Wie erschrak die Frau, als sich aus jedem Ei eine schwarze, schrecklich funkelnde Schlange herauswand. Entsetzt lief die Frau nach Hause. Hier erlebte sie eine weitere, böse Überraschung. Als sie die vier Hasen aus dem Handkorb nehmen wollte, mußte sie erkennen, daß diese sich in einen Haufen Flöhe und Ungeziefer verwandelt hatten, die sie nun ihr Lebtag nicht mehr los wurde.

Obwohl danach der ruhelose Jäger den Wanderern nur noch sehr selten erschien, holzte man die Wälder um Damerow ab.

Quelle: Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg-Woldegk, Schibri-Verlag Milow